Traurige Realität: Willst du brasilianische Fussballkünstler sehen, musst du TV gucken. Früher wimmelte es bei uns von Brasilianern – aktuell spielt nur noch einer in der Super League. Brasilien-Kenner und Spielerberater Dino Lamberti erklärt, weshalb.
Keine Zeit? blue Sport fasst für dich zusammen
- Jahrelang dominierten brasilianische Ballkünstler die Super League. In der Saison 2005/06 waren's gar 27. Aktuell kickt nur noch ein Brasilianer in unserer höchsten Liga.
- Liziero von Yverdon ist der letzte Brasilianer, der zurzeit auf den Schweizer Fussballplätzen spielt. Seine Vorgänger hiessen Elber, Caio, Raffael, Galvao oder Sonny Anderson.
- Brasilien-Kenner und Spielerberater Dino Lamberti erklärt, weshalb. «Junge, gute Brasilianer sind für Schweizer Klubs nicht mehr bezahlbar, ältere Spieler werden nicht mehr verpflichtet, weil sie keinen Wiederverkaufswert haben.»
Er heisst Liziero, mit vollem Namen Igor Matheus Liziero Pereira, und ist ein Unikat. Der 25-jährige Mittelfeldspieler von Yverdon ist der einzige Brasilianer in der Super League. Kein Witz, traurige Tatsache: Dem Schweizer Profifussball sind nach und nach die Brasilianer ausgegangen.
Dabei ist es noch nicht lange her, da hatte fast jeder Profiklub mindestens einen brasilianischen Ballkünstler im Kader.
Galvao, Sonny Anderson, Elber, Raffael, Cunha, Cabral...
Caio, Ailton, Eduardo, dos Santos oder Elber bei GC. Der FCZ mit Raffael, Sant'Anna, Cesar oder Luiz Milton. Cabral, Eduardo, Kléber im FCB-Dress. Für YB stürmten Joao Paulo oder Leandro. St. Gallen hatte Jairo, Fabinho, Everton. Für Aarau, St.Gallen und Luzern wirbelte Ratinho.
Für Sion schossen Tulio und Assis Tore am Laufmeter, später Cunha. Servette hatte Sonny Anderson, bei Lugano stürmte Carlinhos und hinten organisierte einst mit Mauro Galvao gar ein WM-Teilnehmer von 1990 die Abwehr.
Und da sind noch viele mehr in den letzten 40 Jahren. Fast so viele wie Sand an der Copacapana. Den Brasilianer-Boom in der Schweiz ausgelöst haben José Sinval bei Servette und Paolo Cesar bei Bellinzona. Die beiden Ballkünstler dribbeln Mitte der 80er den Gegnern Knoten in die Beine und den Schweizer Fussballfans Freudentränen in die Augen.
2005/06 spielten 27 (!) Brasilianer in der Super League
In der Saison 1992/93 spielen dann bereits 18 Brasilianer in der höchsten Schweizer Liga – damit stellen sie erstmals die grösste Ausländerfraktion im Schweizer Fussball. Von der Spitze lassen sie sich jahrelang nicht mehr verdrängen. Der Höhepunkt wird Mitte der Nullerjahre erreicht. 2005/06 stehen 27 (!) Brasilianer in den Kadern der zehn Superligisten.
Letzte Saison sind es mit Schettine von GC, Baltazar und Ittaitinga von Sion noch drei. Jetzt hält einzig Liziero von Yverdon das Brazil-Fähnchen aufrecht. Was ist passiert? Wo sind die Brasilianer und ihr Jogo bonito geblieben?
«Junge Brasilianer sind für Schweizer Klubs nicht mehr bezahlbar»
Spielerberater
«Dafür gibt es mehrere Gründe», sagt Spielerberater Dino Lamberti. Er ist ein Kenner des brasilianischen Fussballs und hat bis heute über hundert Brasilianer nach Europa transferiert. «Junge, gute Brasilianer sind für Schweizer Klubs nicht mehr bezahlbar, wenn sie in der Serie A in Brasilien Stammspieler sind. Ältere Spieler werden weniger verpflichtet, weil sie keinen Wiederverkaufswert haben», sagt er. Zudem seien die Löhne im brasilianischen Klubfussball in den letzten Jahren gestiegen, so Lamberti weiter: «Man verdient mittlerweile auch in Brasilien als Fussballprofi viel Geld, den Sprung nach Europa muss man nicht wagen, wenn man nicht will.»
Ein weiterer Grund, warum kaum die Brasilianer nicht mehr auf Schweizer Fussballplätzen zu finden sind, sei die Schweizer Politik. Lamberti: «Um in der Schweiz vom Migrationsamt ein Arbeitsvisum zu bekommen, muss der Fussballer mindestens zwei Jahre in der höchsten oder zweithöchsten Liga in Brasilien gespielt haben. Das erschwert das Ganze natürlich zusätzlich.»
Franzosen und Deutsche haben Brasilianer abgelöst
Noch etwas anderes kommt laut Lamberti hinzu. Er habe die Erfahrung gemacht, dass der Brasilianer viel mehr Betreuung braucht als Fussballer aus anderen Nationen. «Natürlich gibt es auch Ausnahmen, aber im Allgemeinen sind die Brasilianer zwar lebenslustige, aber sensible Menschen, die abseits des Platzes viel Betreuung brauchen. Dafür fehlen den Klubs und auch den Beratern oft die Ressourcen und die Zeit.»
So stellen heute die Franzosen (31 Spieler), die Deutschen (17) und die Kosovaren (15) die grössten Fraktionen in der höchsten Schweizer Spielklasse. Und dann ist da noch Yverdons Liziero – der letzte Brasilianer der Super League.