Tennis Bencic: «Zum Glück habe ich mich damals verletzt»

SB10

31.3.2020

Belinda Bencic als Protagonistin in einem Blog.
Belinda Bencic als Protagonistin in einem Blog.
Bild: Instagram/behindtheracquet

Im Tennis-Blog «Behind The Racquet» gibt Belinda Bencic einen tiefen Einblick in ihr Innenleben. Der Text beweist eindrücklich, dass auch bei umjubelten Tennis-Stars oft nicht nur eitler Sonnenschein herrscht. 

Für Tennis-Fans gehört der Blog «Behind The Racquet» von Noah Rubin, selbst Tennisspieler, mittlerweile zum Pflichtprogramm. Seit 2019 kann man darin einen Blick hinter die Kulissen der vermeintlichen Glamourwelt werfen. Ob Schlägerbespanner, Physiotherapeutin oder Spitzenspieler – alle Akteure aus dem Tenniszirkus kommen hier ungefiltert zu Wort. Aktuell gibt es noch keine Beiträge von Roger Federer und Stan Wawrinka, dafür hat sich nun Belinda Bencic zur Verfügung gestellt. Hier ihren aus dem Englischen übersetzten Text:

«Nach dem Einzug in die Top Ten war es schon früh ein gewaltiger Kampf, um mit dem Druck fertig zu werden. Ich glaube wirklich, dass mich mein Körper, sobald ich es geschafft hatte, dazu zwang, mir eine Auszeit zu nehmen: Etwas stimmte nicht und deshalb habe ich mich verletzt. Ich glaube, dass das alles aus einem Grund geschehen ist. Ich habe auf meinem langen Weg zum Comeback so viel über mich und diesen Sport gelernt. Ich schätze Tennis mehr. Ich glaube fest daran, dass ich in ein paar Jahren völlig erschöpft wäre, wenn ich mich damals nicht verletzt hätte.

Es wäre nur eine Frage der Zeit gewesen, bis ich mich ausgebrannt gefühlt hätte. Deshalb bin ich froh, dass es passiert ist. Glücklicherweise machte ich diese Erfahrung, als ich noch sehr jung war und bereit war, mich zurückzukämpfen. In St. Petersburg bin ich 2016 zum ersten Mal in die Top Ten vorgestossen. Dann kam bald Miami, wo ich meine erste Verletzung erlitt, die zu vielen weiteren führte. Es kam ein schweres Problem mit meinem Handgelenk hinzu: Ich versuchte neun Monate lang, eine Operation zu vermeiden, und spielte weiter. Im April 2017 beschloss ich schliesslich, die Sache nicht weiter aufzuschieben.

Ich war etwa sechs Monate lang weg von der Tour und fiel auf Platz 350 zurück. Tennis ist super schwierig, denn man bleibt nie da, wo man ist – entweder geht's nach oben oder nach unten. Bei den Junioren spielt man einfach, alles ist aufregend und neu. Man hat nichts zu verlieren, man überlegt sich nichts gross dabei. Als ich in den Spitzensport wechselte, fühlte ich mich einfach zu jung für all das.

Auf das Medieninteresse kann man sich nicht vorbereiten, vor allem, wenn man wie ich nicht von Natur aus so offen ist. Zuvor verlief meine Karriere so, wie ich es wollte, und jetzt stand jeder Misserfolg direkt im Rampenlicht. Ich habe nicht mehr einfach nur gerne Tennis gespielt. Ich war nie eine Person, die gerne abseits des Platzes im Rampenlicht stehen wollte.

Belinda Bencic mit ihrem Freund und Konditionstrainer Martin Hromkovic.
Belinda Bencic mit ihrem Freund und Konditionstrainer Martin Hromkovic.
Bild: Instagram/behindtheracquet

Es war eine Erleichterung, dass ich nach meiner Operation wieder neu anfangen konnte. Ich fing wieder an, vor weniger Leuten zu spielen, und niemand verurteilte mich, was mir gefiel. Ich hätte Wild Cards oder ein geschütztes Ranking haben können, aber ich wollte mein Selbstvertrauen und meine Liebe wieder aufbauen. Ich begann, mich zu erinnern, wie es war, jeden Sieg und jede Minute auf dem Platz zu schätzen. Und an die harte Arbeit zu denken, um gegen Spieler antreten zu dürfen, die ich früher im Fernsehen sah, als ich noch jünger war.

Ich glaube, Tennis macht es den Spielern schwer, sich an ihre Leidenschaft für dieses Spiel zu erinnern. Man ist auf so viele andere Dinge konzentriert. Vor allem für Athleten ausserhalb der Top 100, die kaum einen Trainer bezahlen können und ohne Physiotherapeuten reisen. Ich versuche, im Tennis für die Generationen nach mir etwas zu verändern. Bis heute blicke ich auf meine Opfer zurück und schätze sie für das Leben, das ich jetzt habe.

Die Medien denken immer, dass mein Vater mich in das Ganze gedrängt hat, aber ich war es immer, die ihm sagte, dass ich spielen möchte. Die Leute sehen eine Vater-Tochter-Beziehung im Sport und verdrehen sie, aber er wollte immer das Beste für mich. Meine Eltern sind ursprünglich aus der Slowakei, und ihre Mentalität ist alles oder nichts. Aber der Antrieb zum Tennis kam immer von mir. Ich fühlte mich schuldig, als ich nach all der Arbeit, die wir geleistet haben, nicht mein Bestes auf den Platz bringen konnte. Aber jetzt bin ich in einem besseren Zustand und erkenne, dass es etwas gibt, mit dem jeder zu kämpfen hat.»

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