Billie Jean King Cup Das Schweizer Team tritt in Prag als verschworene Einheit auf

sda

4.11.2021 - 05:55

Captain Heinz Günthardt umarmt Viktorija Golubic und Jil Teichmann nach dem Sieg am Dienstag im Doppel gegen Deutschland.
Captain Heinz Günthardt umarmt Viktorija Golubic und Jil Teichmann nach dem Sieg am Dienstag im Doppel gegen Deutschland.
Keystone

Das Schweizer Team spielt beim überzeugenden 3:0 gegen Deutschland zum Auftakt in das Finalturnier um den Billie Jean King Cup in Prag eine ihrer grossen Stärken aus: den Teamgeist.

Keystone-SDA, sda

Als Heinz Günthardt am Dienstagabend zu später Stunde in den Katakomben der Prager O2-Arena den ersten Auftritt seines Teams bilanzierte, sagte er: «Viel mehr als heute geht nicht.» Seine Spielerinnen zeigten sich trotz durchzogenen letzten Wochen auf der Tour auf den Punkt bereit. Auch er als Captain hatte alles richtig gemacht, in dem er Viktorija Golubic im Einzel den Vorzug gegenüber Jil Teichmann gab.

Es sei nicht nur er, der entscheide, sagte Günthardt. Der Input komme auch von den Spielerinnen. «Und da muss ich ihnen ein Kränzchen winden. Wir reden absolut offen und ehrlich miteinander, jede kann sagen, was sie denkt. Das ist nicht selbstverständlich und sicherlich nicht in jedem Team der Fall. Aber es ist die Basis dieses Teams.»

Dieses Team, zu dem neben den Spielerinnen Golubic, Teichmann, Belinda Bencic und Stefanie Vögele auch Martina Hingis, ihr Ehemann und Teamarzt Harald Leemann, die Physiotherapeuten Christoph Knöri und Estelle Franzetti sowie Sandra Perez als Teammanagerin und Kommunikationsverantwortliche gehören, ist über Jahre zusammengewachsen. Bei Captain Günthardt laufen die Fäden zusammen, zumal Delegationsleiterin Christiane Jolissaint kurzfristig auf die Reise nach Tschechien verzichten musste.



Vertrauen und Gleichberechtigung als Basis

«Heinz schaut, dass alles gut läuft und dass alle das bekommen, was sie brauchen», sagt Belinda Bencic. Der Erfahrungsschatz des 62-jährigen Zürchers ist immens, seine Expertise unbestritten. Seit knapp einem halben Jahrhundert ist Günthardt am Puls des Geschehens und auf den Tenniscourts dieser Welt zu Hause. Zuerst als erfolgreicher Junior, dann als Profi, später als Coach von Steffi Graf und langjähriger TV-Kommentator, seit 2012 auch als Captain des Schweizer Fed-Cup-Teams.

«Wichtig in einem Team ist, dass man sich selber sein kann und dass ein Vertrauensverhältnis da ist», sagt Günthardt. Dieses Vertrauen müsse man sich verdienen. «Und wenn es Probleme gibt, muss man diese ansprechen und nicht unter den Teppich kehren, denn zwischendurch gibt es immer etwas, das es zu bereden gilt.» Voraussetzung dafür sei eine Atmosphäre, in der alle gleichberechtigt seien, und in der es keinen Superstar gebe. «Alle müssen das Gefühl haben, dass wenn sie etwas sagen, dies auch seine Wichtigkeit hat.»

Die Spielerinnen kennen sich seit Jahren und verbindet über den Platz hinaus eine Freundschaft. In einem Whatsapp-Chat halten sie sich unter dem Jahr gegenseitig auf dem Laufenden. Und wenn es die Agenda zulässt, versuchen sie auch auf der Tour einmal ein Teamessen einzuberufen. «Wir sind alle sehr easy drauf», sagt Bencic. Sie hätten ein gutes Verhältnis untereinander, das natürlich entstanden sei.

Das Training und das Tennis verbinde zwar, «aber der grössere Teil ist das, was neben dem Platz passiert», sagt Viktorija Golubic. «Wir sind alle sehr gesellig und haben viel Spass.» In Prag vertreibt sich das Quartett mit Gesellschafts- und Kartenspielen die Freizeit. «Auch dort sind wir alle sehr kompetitiv», verrät Golubic – und lacht. Gelegentlich wird auch einmal um einen Kaffee oder ein Nachtessen gespielt, was auch in einzelnen Spielformen im Training vorkommen kann.

Das gewisse Extra

Dass das Ganze mehr als die Summe seiner Teile ist, zeigt sich auch auf dem Platz. Gemeinsam gefällte Entscheide werde akzeptiert. Auch Jil Teichmann war mit der Nominierung Golubics für das Einzel am Dienstag einverstanden: «Wir sind als Team da – und haben unser Ziel erreicht.» Auf die sportliche Rollenverteilung angesprochen, sagte sie: «Die zwei, die spielen, geniessen Priorität. Die anderen zwei unterstützen diese und schauen, dass es ihnen gut geht.»

Diese verschworene Einheit beflügelt diejenigen, die im Einsatz stehen, auch wenn diese vor den Partien – im Wissen um die Verantwortung für das Team – von erhöhter Nervosität im Vergleich zum Tour-Alltag berichten. «Gerade in den Momenten, in denen man hypernervös ist, gibt die Unterstützung des Teams etwas Zusätzliches, um über die Ziellinie zu kommen», sagte Günthardt in seiner Matchanalyse, ehe er im Hinblick auf den Donnerstag und das Duell mit dem Titelfavoriten Tschechien anfügte: «Wir sind bereit für mehr.»