Am French Open steigt am Dienstag der Viertelfinal zwischen Novak Djokovic und Rafael Nadal. Die Form spricht für den Serben, die Historie für den Spanier. Ist es Nadals letzter Tanz in Paris?
War es nur ein (vergebliches) Powerplay, um nicht in der ungeliebten Night Session antreten zu müssen? Oder befindet sich Rafael Nadal am French Open auf Abschiedstour? Nach seinem hart erkämpften Fünfsatzsieg im Achtelfinal gegen Félix Auger-Aliassime über 4:21 Stunden sagte der am Freitag 36 Jahre alt werdende Spanier mit Blick auf das Gigantentreffen mit Novak Djokovic: «Das wird vielleicht mein letzter Match in Roland-Garros, und ich würde diesen gerne am Tag spielen.»
Nun, Nadals vielleicht letzter Wunsch am Ort seiner grössten Triumphe wurde nicht erhört. Wie erwartet wurde die Partie am Dienstagabend um 20:45 Uhr angesetzt. Und dadurch sieht sich der 13-fache Roland-Garros-Sieger im Nachteil, wie er ohne Umschweife deutlich machte: «Ich spiele nicht gerne nachts auf Sand. Die Luftfeuchtigkeit ist höher, der Ball ist langsamer und die Bedingungen können sehr, sehr ‹heavy› sein, besonders wenn es kalt ist.»
Die für Nadal einschneidendste Auswirkung am Abend ist, dass sein extremer Topspin einen Teil der Wirkung verliert. Dessen ist sich natürlich Djokovic bewusst. Auf die Frage, ob er lieber am Tag oder am Abend spielen würde, meinte der Serbe: «Ich kann nur sagen, dass Rafa und ich unterschiedliche Anträge stellen würden.»
Nicht nur, dass das heiss erwartete Duell als Night Session steigt, spricht für Djokovic. Der Weltranglisten-Erste und Titelverteidiger kam bisher mit bedeutend weniger Kraftaufwand durchs Turnier. In allen vier Partien blieb er ohne Satzverlust, nur einmal, in der 2. Runde gegen den Slowaken Alex Molcan, gab er in einem Satz mehr als drei Games ab. «Roland-Garros ist immer auch ein physischer Kampf», weiss Djokovic.
Nur 48 Stunden für Nadals Fuss
Nadal bleiben dagegen nur 48 Stunden, um sich von den Strapazen der intensiven Partie gegen Auger-Aliassime zu erholen. Zudem stellt sich die Frage, wie sehr ihn die chronischen Probleme am Fuss im fünften Match innert acht Tagen beeinträchtigen. Beim Müller-Weiss-Syndrom, unter dem Nadal leidet, handelt es sich um eine Deformation des Mittelfussknochens.
Wohl deshalb schied der Spanier in Rom, beim letzten Turnier vor dem French Open, bereits in den Achtelfinals gegen Denis Shapovalov aus. Gegen Ende der Partie konnte sich Nadal kaum mehr bewegen, auch seine Körpersprache wirkte besorgniserregend.
«Ich bin nicht verletzt. Ich bin ein Spieler, der mit einer Verletzung lebt», sagte er hinterher. Die Schmerzen seien mal stärker, mal weniger stark. Auf Dauer würden sie ihm das Glück im Leben nehmen, schilderte er. «Der Moment wird kommen, an dem mir mein Kopf sagt, genug ist genug.»
Topform vs. Traum-Zahlen
Ohnehin spricht der Formstand für den ein Jahr jüngeren Djokovic, dem anzumerken ist, wie sehr er diesen 21. Grand-Slam-Titel will, mit dem er wieder mit Nadal gleichziehen würde. Am Australian Open war er im Januar wegen der Posse um seine Einreise als Ungeimpfter zum Zuschauen verdammt. Er musste zusehen, wie Nadal die Gunst zum Triumph nutzte – und geriet selber zwischenzeitlich aus der Bahn. Nun fand er rechtzeitig zum zweiten Grand-Slam-Turnier des Jahres wieder zu alter Stärke.
Nadal kann seine Zuversicht in Paris vor allem daraus schöpfen, dass ihn auf Sand und am French Open so leicht keiner bezwingt. Seine unglaubliche Bilanz am Bois de Boulogne steht bei 109 Siegen und 3 Niederlagen. «Rafa in Roland-Garros ist die grösste Herausforderung, die du haben kannst», sagte Djokovic. Für zwei der drei Niederlagen sorgte indes der Serbe selber, zuletzt bezwang er Nadal im Halbfinal des Vorjahres in vier Sätzen.
Dennoch ist Nadals Bilanz gegen Djokovic auf Sand positiv, insbesondere am French Open. In Paris gewann der Spanier 7 von 9 Begegnungen, auf Sand 19 von 27. Insgesamt wird der Viertelfinal vom Dienstag das 59. Duell zwischen den beiden Rekordmännern, dabei steht es 30:28 für Djokovic.
Auf den Gewinner dürfte im Halbfinal übrigens der nächste grosse Prüfstein warten. Im zweiten Viertelfinal der oberen Tableauhälfte tritt der 19-jährige Wunderspieler Carlos Alcaraz gegen Alexander Zverev an.