Wimbledon Federer: «Also ist die Frage, ob Sie den Beruf wechseln sollen oder nicht?»

Luca Betschart, Wimbledon

9.7.2019

Ein gut gelaunter Roger Federer sorgt nach dem Sieg gegen Matteo Berrettini an der Pressekonferenz für Unterhaltung.
Ein gut gelaunter Roger Federer sorgt nach dem Sieg gegen Matteo Berrettini an der Pressekonferenz für Unterhaltung.
Bild: Screenshot Wimbledon / Youtube

Nach der Machtdemonstration gegen Matteo Berrettini zeigt sich Roger Federer auch an der Pressekonferenz in Topform. Einem italienischen Journalisten fühlt er dabei besonders auf den Zahn.

Der Achtelfinal zwischen Roger Federer und Matteo Berrettini wurde zwar mit viel Spannung erwartet, effektiv war die Partie aber bereits entschieden, bevor sie richtig begonnen hatte. Trotzdem rauscht im dritten Satz die Laola-Welle durch den Centre Court von Wimbledon – Szenen, die sich in diesem Stadion nur äusserst selten abspielen. «Und das, obwohl der Match so einseitig verlief», merkt Roger Federer nach dem Spiel an. «Das zeigt irgendwie auch, dass die Fans etwas vom Tennis verstehen.» Denn nicht immer seien die knappsten Partien auch die besten.

Der Schweizer schrieb die Begeisterung auf den Rängen vor allem der eigenen starken Vorstellung zu, mit der er selbst ebenfalls höchst zufrieden war. «Ich bin sehr glücklich. Ich erwartete ein schwieriges, knappes Spiel mit wenig Chancen – eigentlich war es genau das Gegenteil. Das war grossartig.» Er habe sich gewissermassen in einen Flow gespielt. «Du bekommst das Gefühl, dass was immer du auch tust, es funktionieren wird. Du kannst dir selbst kaum erklären, wieso. (…) Das ist wahrscheinlich eines der besten Gefühle, die du als Spieler auf dem Tennisplatz haben kannst.»

Federer ist definitiv im Turnier angekommen

Dennoch findet der bald 38-Jährige an der Pressekonferenz Erklärungen für die erneute Leistungssteigerung im Vergleich zum letzten Auftritt: «Wir sind jetzt seit zwei Wochen in Wimbledon, seit einer Woche habe ich Matches. Ich denke, die Leistung beginnt automatisch besser zu werden. Wir wissen, wie die Unterlage reagiert oder wie die Bälle fliegen. Deshalb können wir auch näher an die Linien spielen.» Diese kleinen Dinge würden helfen, sich besser entfalten zu können.



Federer scheint definitiv im Turnier angekommen zu sein und zeigt sich auch an der Pressekonferenz in Bestform. Auf die Frage, ob er an seinem Spiel mit zunehmendem Alter etwas anpassen müsse, verrät er: «Nicht wirklich. Ich muss mich einfach viel besser aufwärmen als ich das früher gemacht habe. Und das ist ehrlich gesagt nicht gerade der lustigste Teil. Mit 19 oder 21 sprang ich noch gerne für eine Minute rauf und runter, jetzt denk ich mir eher: Müssen wir das wirklich machen?»

Weil es aber definitiv helfe, ziehe er das Warm-Up jeweils durch. «Wenn ich dazu keine Lust mehr habe, werde ich aufhören. Ich höre jedoch eher zuerst damit auf, bevor ich aufhöre, Tennis zu spielen», sagt er grinsend. Federer erklärt, dass er weniger sein Spiel, aber beispielsweise sein Fitnesstraining habe anpassen müssen: «Diesbezüglich gehe ich die Dinge einfach etwas anders an. Ich würde sagen, es geht mehr um die Qualität und weniger um die Quantität, weil ich meinen Körper Erholung gönnen muss, wenn ich kann.»

Schlagabtausch mit einem italienischen Journalisten

Seinen 14 Jahre jüngeren Kontrahenten brachte er am Montag jedenfalls an den Rand der Verzweiflung und auch die anwesenden italienischen Journalisten (vielleicht erinnern Sie sich an Ubaldo Scanagatta), die einige Hoffnungen in ihren Landsmann steckten, liess der achtfache Wimbledon-Champion ratlos zurück: «Roger, heute musst du mir helfen», wendet sich Scanagatta an den Schweizer. «Ich habe gesehen, wie Berrettini in Stuttgart das Turnier gewann und in Halle das Halbfinal erreichte …» Federer fällt ihm sogleich ins Wort: «Ich habe dich aber nicht gesehen in Halle.»

Er habe die Spiele aber verfolgt, erwidert der Journalist, worauf Federer antwortet: «Ah, du hast den einfachen Weg gewählt und im Schlafzimmer vor dem TV geschaut, ganz relaxed.» Der Fragende gesteht, dass dies korrekt sei. Dennoch habe er die Matches gesehen und vor dem Spiel geschrieben, dass er zwar nicht an einen Sieg von Berrettini glaube, aber dass der Italiener auch nicht 1:6, 2:6, 2:6 verlieren werde – nun sei es aber genau zu diesem Resultat gekommen. «Also ist die Frage, ob Sie ihren Beruf wechseln sollen oder nicht?», legt Federer nach und schlägt vor: «Denken Sie darüber nach.»



«Ich mag die Italiener»

So leicht gibt sich der Journalist aber nicht zufrieden und hakt nach. «Ich versuche herauszufinden, was Sie ihm vor dem Spiel gesagt haben. Sie sind sein Idol. Haben Sie ihn mit Ihren Worten geschockt oder wie erklären Sie sich das (klare Resultat, Anm. d. Red.)?

Federer beteuert, dass er dem 23-Jährigen nur Hallo sagte, als sie auf den Platz kamen. Auch dass sich Berrettini nach dem verwandelten Matchball am Netz beim Schweizer für die Lektion bedankt haben soll, kann Federer nicht bestätigen: «Das sagte er? Mein Italienisch ist nicht gut genug.» Allerdings habe sich Berrettinis Trainer schon beinahe bei ihm bedankt und meinte, eine solche Tennislektion sei gut für seinen Schützling. «Ein bisschen hart, aber ich verstehe es. Ich mag die Italiener», sagt Federer mit einem Lächeln im Gesicht.

Erneut (zu) langsame Bedingungen

Eine mögliche Erklärung für das klare Verdikt sieht Federer in einem ganz anderen Bereich: «Der Junge serviert im Durchschnitt mit 130 Meilen pro Stunde, den zweiten Aufschlag vielleicht mit 105 oder 110 Meilen – und er macht nur drei Asse. (…) Es gibt definitiv ein Problem mit der Geschwindigkeit der Bälle oder des Platzes.»

Der achtfache Wimbledon-Champion ist überzeugt, dass dies einen Einfluss auf den Spielverlauf hatte. «Er hatte nicht seinen besten Tag, das weiss ich auch. Aber ich konnte viele Bälle zurückbringen – auch dank der Bedingungen. Wenn es schneller gewesen wäre, hätten wir den womöglich den spannenden Match gesehen, den ich erwartet habe.» Dann hätte ihm Berrettini mit der Vorhand mehr weh tun können. So aber habe er mit seinem Slice viel Schaden anrichten können.

Er hoffe, dass Berrettini den Rückschlag trotz der hohen Erwartungen nicht zu schwer nehme. «Einige Niederlagen kannst du nicht erklären.» In diesen Momenten sei es wichtig, daraus zu lernen. «Es ist okay, einen Schritt rückwärts zu gehen. Aber dann muss du anschliessend zwei Schritte vorwärts machen. Ich hoffe, das gelingt ihm nach heute.»

Nächster Gegner von Roger Federer im Viertelfinal ist am Mittwoch der Japaner Kei Nishikori.

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