Australian Open Federer nach Zittersieg: «Ich glaube an Wunder»

Von Syl Battistuzzi, Melbourne

28.1.2020

Nach der Abwehr von sieben Matchbällen zittert sich Roger Federer bei den Australian Open ins Halbfinale. Auf der Pressekonferenz erklärt er auch, wie ihn der Tod von Basketball-Star Kobe Bryant getroffen hat.

Im vierten Satz hatte der 38-Jährige Matchbälle gegen sich, im Tiebreak sogar drei in Serie. «Bei sieben Matchbällen hat man keine Kontrolle mehr, ich hatte einfach unglaublich Glück heute», meint Federer im Siegerinterview. 



«Als das Match dann weiterging, fühlte ich mich besser», so Federer über die Tatsache, als es in die Entscheidung ging. Im dritten Satz liess er sich zuvor in der Kabine vom Physiotherapeuten wegen Adduktoren-Problemen behandeln. Federer über die Beschwerden: «Es scheint keine Verletzung zu sein, ich hoffe, wir kriegen die Schmerzen und Probleme bis zum nächsten Spiel am Donnerstag wieder in den Griff.» 

Tatsächlich wirkte Federer im dritten und vierten Satz angezählt und bekundete vor allem nach eigener Aussage in der Defensive viel Mühe. Auch sein Service war aufgrund seiner Beschwerden offensichtlich keine Waffe – nur fünf Asse gelangen ihm in dreieinhalb Stunden. 

«Ich glaube an Wunder», meint die aktuelle Weltnummer 3 zu seiner nicht mehr für möglich gehaltenen Rückkehr auf die Siegesstrasse. Wenn Sandgren ihn besiege, dann möchte er mit Stil untergehen, habe er sich gedacht, so Federer. Für ihn sei ein Match erst fertig, wenn man beim Shakehand sei. Bis dahin glaube er immer daran, so Federer. Das Match sei sicher in den Top 5 der unerwarteten Wendungen, umso schöner gelinge ihm dies bei einem Major-Turnier. Nur einmal, 2003 in Cincinnati gegen den Australier Scott Draper, wehrte er ebenfalls sieben Matchbälle ab.


Die Enttäuschung beim Gegner

Dass ausgerechnet der tiefgläubige Christ Tennys Sandgren dem «Wunder» zum Opfer fiel, ist für den US-Amerikaner, der aktuell nur die Nummer 100 der Welt ist, wohl nur blanker Hohn.

«Ich bin jetzt einfach emotional und physisch total müde», erklärt der Verlierer. «Ich habe ein ziemlich gutes Match abgeliefert, ich hätte aber noch besser spielen können», so der 28-Jährige. Bei den Matchbällen habe Federer einfach gut gespielt und ihm nicht viele Möglichkeiten zum Attackieren gegeben. Und wenn ein Spieler seiner Klasse solche Situationen überlebe, fänden sie ihr Spiel. «Als er die Ziellinie sah, stieg sein Level und meines sank etwas», erläutert ein enttäuschter Sandgren.

Bereits in den zwei Runden zuvor hatte der sechsfache Australian-Open-Champion Probleme gehabt und war in der dritten Runde gegen den Australier John Millman nur zwei Punkte vom Aus entfernt gewesen.

Rächt sich Federer beim Erzrivalen?

Falls sich Novak Djokovic erwartungsgemäss gegen den Kanadier Milos Raonic durchsetzt (Live-Ticker), duelliert sich Federer im Halbfinal mit dem Titelverteidiger. «Ich habe die nächsten beiden Tage nichts zu tun, und spiele dann in der Nightsession.» Er habe heute nicht viel Energie verloren, so Federer.

Mit dem Gegner Djokovic käme es auch zur mit Spannung erwarteten Revanche für den bitteren Wimbledon-Final, wo Federer nach zwei Matchbällen noch verlor. Immerhin schlug er den Serben beim letzten Duell bei den ATP Finals. Er erklärt: «Das hilft mir natürlich und zeigt mir, dass ich ihn schlagen kann.» Federer hält aber auch fest: «Gegen Spieler wie Djokovic und Nadal braucht man bei einem Grand-Slam-Turnier Extra-Vertrauen, schliesslich muss man über fünf Sätze sehr gut spielen können.»

Weil er nun so brenzlige Matches überstanden habe, spiele er vielleicht beim nächsten Mal ohne Erwartungen unbefreit auf, spekuliert Federer. «Eigentlich müsste ich ja schon am Skifahren sein in der Schweiz.»

Federer zu Kobe-Tod: «Unglaublich dramatische News»

Mit dem Halbfinal-Einzug ist der Saisonstart für Roger Federer unabhängig vom Ausgang sicher geglückt. Denn dass es neben Sieg und Niederlage noch Wichtigeres gibt, beweist die Tragödie um den Tod von NBA-Legende Kobe Bryant: «Es sind unglaublich dramatische News. Ich habe Mirka im Bett geweckt, als ich davon hörte. Es tut mir einfach nur leid und trifft die ganze Sportwelt. Er war ein grosses Tennis-Fan, deshalb kam er auch an die Turniere, zuletzt bei den US Open. Ich bin ein grosser Basketball-Fan, deshalb wurde ich automatisch auch ein Fan von ihm.»

Die verstorbene NBA-Ikone Kobe Bryant mit Roger Federer und Daniel Evans beim Münzwurf.
Die verstorbene NBA-Ikone Kobe Bryant mit Roger Federer und Daniel Evans beim Münzwurf.
Bild: Getty

Zurück zur StartseiteZurück zum Sport