Schweizer Juniorin im Final Leonie Küng: «Ich möchte nicht nur erfolgreich sein, sondern die Leute mit meinem Spiel begeistern»

Aus Wimbledon: Roman Müller

13.7.2018

Hat grosse Ziele und spielt grosses Tennis: Juniorin Leonie Küng in Aktion.
Hat grosse Ziele und spielt grosses Tennis: Juniorin Leonie Küng in Aktion.
Bild: ZVG

Die Schweizer Juniorin Leonie Küng sorgt in Wimbledon für Furore. Wir trafen die talentierte Schaffhauserin vor ihrem Finaleinzug zum Interview.


Fünf Jahre nach Belinda Bencics Triumph steht in Wimbledon wieder eine Schweizer Juniorin im Final. Die 17-jährige Schaffhauserin Leonie Küng gewann im Halbfinal 6:4, 6:7 (6:8), 6:3 gegen Wang Xiyu. Lesen Sie das Spiel in unserem Liveticker nach. 


Leonie, du hast bereits eine eigene Homepage. Sehr professionell gemacht. Und da betreibst du auch einen Blog. Schreibst du den tatsächlich selber?

Ja, den schreibe ich selber. Allerdings habe ich schon eine ganze Weile nichts mehr gepostet. Meine Grosseltern hatten mir diese Homepage auf den Geburtstag geschenkt und so habe ich damit begonnen, von meinen Turnieren zu berichten. Viele Leute haben ihre Freude daran.

Nach diesem Wimbledon-Turnier hast du sicher genug Stoff für einen neuen Eintrag. Was wirst du von deiner Zeit hier berichten?

Dass es hier unglaublich schön ist, dass ich hier so erfolgreich gespielt habe und wie aufregend es war, das erste Mal auf Rasen zu spielen. Es ist eine tolle Erfahrung, auch wenn es «nur» ein Juniorenturnier ist. Es motiviert mich total, dies auch mal als Profi zu erleben.

Mit welchen Zielen und Erwartungen bist du hier an die Church Road gekommen?

Als Tennisspieler gehst du immer mit dem Ziel an ein Turnier, es zu gewinnen. Ansonsten musst du gar nicht erst antreten. Aber ich bin mir bewusst, dass es ein sehr hochgestecktes Ziel ist. Denn am Schluss schafft es ja nur eine von 64 Teilnehmerinnen.

Auf deinem Weg in den Halbfinal hast du nun sechs Spielerinnen bezwungen, die allesamt höher klassiert sind als du. Und du hast dabei keinen einzigen Satz abgeben. Wie hast du das geschafft?

Das war mir ehrlich gesagt gar nicht richtig bewusst. Ich nehme immer Spiel für Spiel. Und jedes Match ist wieder etwas anderes. Dass es mir so gut läuft und dass ich noch keinen Satz verloren habe, das ist natürlich mega cool.

In deinem Viertelfinal gegen die Amerikanerin Caty McNally hast du immer wieder in ganz engen Situationen sehr spektakuläre Bälle gespielt. Ich hatte das Gefühl, du spielst oft 'aus dem Bauch heraus'. Ist das dein Stil?

Wenn man so am kämpfen ist und es so eng ist, dann bleibt keine Zeit, um viel zu überlegen. Ich versuche einfach, meinen Gegnerinnen mein Spiel aufzuzwingen und aggressiv zu spielen. Ich bin nicht so eine Taktikerin und ja, ich spiele 'aus dem Bauch heraus'.

Mit solchen Aktionen hast du die Zuschauer auch immer wieder begeistert. Da ging öfters mal ein Raunen durchs Publikum. Nimmst du das wahr?

Klar, das ist speziell für mich. Ich spiele unglaublich gerne vor grossem Publikum. Ich bin dann besser, weil ich den Leuten etwas bieten will. Es macht mir einen Riesenspass.

Du sparst auf dem Platz auch nicht mit Kritik an dir selber. Bei Fehlern oder verpassten Chancen schimpfst du mit dir. Hilft dir das oder willst du das ändern?

Das ist etwas, woran ich arbeite. Ich möchte das in einem Rahmen tun, wo es mir hilft und nicht schadet. Ich bin extrem perfektionistisch. Wenn ich einen Fehler mache, dann kann ich nicht anders. Dann rege ich mich einfach auf. Wichtig ist, dass ich lerne, diese Momente positiv zu nutzen und nicht zuzulassen, dass ich mich damit herunterziehe.

Während den Pausen bei den Seitenwechseln bist du dann jeweils total ruhig, fast schon meditativ. Was geht dir da jeweils durch den Kopf?

Ich überlege mir jeweils: «Womit hatte ich Erfolg? Wie habe ich die Punkte gewonnen?» Und damit gehe ich in das nächste Game und versuche, diese Dinge weiterhin gut zu machen. Auf emotionaler Ebene, nicht auf taktischer.

Gibt es Spieler, zu denen du aufschaust?

Martina Hingis ist sicher eine davon. Sie hat ein solch schönes Spiel. Klug und variantenreich, mit viel Spielwitz. Es ist nicht nur einfach ein Draufhauen, sondern eine verspielte Art Tennis zu spielen. Und natürlich Roger. Wer mag ihn schon nicht? Bei ihm sieht alles immer so elegant und einfach aus. Das ist schon auch ein Ziel von mir, dass es schön und einfach aussehen soll und nicht so ein «Gewürge», wie es im Frauentennis leider recht oft der Fall ist.

Das ist auch die Art Tennis, welche die Zuschauer am meisten mögen…

Stimmt. Und deshalb strebe ich das auch an. Ich möchte, dass die Leute, meine Art zu spielen mögen. Mein Spiel sollte nicht nur erfolgreich sein, sondern ich möchte die Leute damit auch begeistern.

Der, der dir das alles beibringt, ist dein Vater. Wie ist er so als Trainer?

Er ist unheimlich gut, was Technik angeht. Er hat extrem viel Ahnung davon, obwohl er selber gar nie Tennis gespielt hat. Er ist ein hervorragender Beobachter und lernt von den Besten. Ich habe ein riesiges Glück, jemanden wie ihn an meiner Seite zu haben. Natürlich ist es zwischenmenschlich nicht immer ganz einfach. Er ist einerseits mein Vater der mich gernhaben will, der mich tröstet, wenn ich verliere. Und andererseits ist er mein Trainer, der hart bleiben und Klartext mit mir reden muss, wenn ich Dinge nicht gut mache. Aber das alles wird besser und einfacher, je älter wir beide werden.

Werden wir diesen Schriftzug in Zukunft öfters sehen? Leonie Küng hat bereits ein eigenes Logo.
Werden wir diesen Schriftzug in Zukunft öfters sehen? Leonie Küng hat bereits ein eigenes Logo.
Bild: Screenshot leoniekung.com

Zum Schluss nochmals zurück zu deiner Homepage. Dort prangt sogar ein eigenes Logo von dir. Was hat es damit auf sich?

Das Logo ist echt cool. Das ist natürlich auch mit Augenzwinkern gemeint. Ich werde auch schauen, dass ich das «Copyright» davon behalte. Falls ich es wirklich mal zu einer guten Profispielerin schaffe, könnte ich mir dieses Logo ganz gut auf einem Cap vorstellen.


Leonie Küng wird im Oktober 18 Jahre alt und stammt aus Beringen, Schaffhausen. Mit 8 Jahren begann sie mit dem Tennisspielen. Im Alter von 11 Jahren zog sie mit ihrer Familie nach Florida, wo sie die weltberühmte Bollettieri-Akademie besuchte. Nach 18 Monaten stellte sich dieser Entscheid aber als Enttäuschung heraus. Danach übernahm ihr Vater Martin das Training und wenige Monate später gingen die Küngs zurück in die Schweiz. Mit akribischem Auge für Details eignete sich Martin Küng sein Tenniswissen selbst an. Mit 14 Jahren wechselte Leonie bereits auf die Profitour. Das ist auch der Grund, weshalb sie im Juniorenranking momentan nicht weit vorne ist und in Wimbledon zunächst die Qualifikation bestreiten musste. Heute trainiert sie zwei bis drei Stunden pro Tag. Neben dem Tennis absolviert sie eine amerikanische Online-Highschool. Eine Profi-Karriere ist ihr erklärtes Ziel. Das erreichen der Weltnummer 1 ihr grösster Traum.

=> Die Homepage von Leonie Küng

Spielte sich bei ihrem Wimbledondebüt bis in den Final: Leonie Küng aus Beringen SH.
Spielte sich bei ihrem Wimbledondebüt bis in den Final: Leonie Küng aus Beringen SH.
Bild: ZVG
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