Mary Pierce gehörte zu den besten Tennisspielerinnen der Welt, der Weg nach oben führte sie aber durch die Hölle. In einem Blog erzählt die zweifache Grand-Slam-Siegerin ihre Geschichte.
Bei «Behind the Racquet» erinnert sich Mary Pierce an ihre Kindheit, die von Angst geprägt war. Ihr Vater verfolgte grosse Pläne mit ihr und setzte sie damit gewaltig unter Druck. «Als ich 13 Jahre alt war, war mein Vater mein Vollzeit-Coach und meine Mutter meine Vollzeit-Mutter. Es gab kein Einkommen und wir lebten manchmal im Auto.» Sie erinnert sich, wie ihr Vater ihr einen Sack mit Geld zeigte und sagte: «Das ist alles, was wir haben.» Gefolgt von der unmissverständlichen Aufforderung: «Du beginnst besser zu gewinnen. Denn wir brauchen Geld.»
Dass sie teils mit ihrer Familie im Auto lebt, liegt auch daran, dass ihr Vater Haus und Schmuckgeschäft verkauft, als Pierce zwölf Jahre alt ist. Gleichzeitig nimmt er seine Tochter aus der Schule. Das mit dem Gewinnen klappt ganz gut, Pierce ist mit unglaublich viel Talent gesegnet und ihr Vater lässt es nicht zu, dass sie nicht das Maximum aus sich herauspresst. Mit 14 wird sie Profi.
Pierce: «Ich hasste meinen Vater und hatte Angst vor ihm»
Vier harte Jahre stehen ihr da noch bevor. Es wären wohl noch einige Jahre mehr geworden, hätte sich ihr Vater bei den Australian Open 1993 nicht mit einem Zuschauer geprügelt. Denn nach diesem Vorfall wird der Vater der damals 18-jährigen Pierce für fünf Jahre von der Tour verbannt. «Er war mein Trainer, bis ich 18 war. Während dieser Zeit spielte ich Tennis, weil ich keine Wahl hatte. Ich musste gewinnen, denn wenn ich es nicht tat, würde mein Vater missbräuchlich werden und ich hatte Angst vor dem, was passieren würde. Angst war das treibende Gefühl.»
Die Abnabelung von ihrem Vater verläuft nach diesem Urteil aber alles andere als reibungslos. Denn er lässt sich den Umgang mit ihr nicht verbieten und lauert ihr einmal in Rom auf, wo er sich mit ihren Leibwächtern prügelt. Kraft gegeben haben ihr ihre Mutter und ihr Bruder, der sie später erfolgreich coachte. Zwischen 18 und 25 Jahren habe sie ihren Vater nur einmal gesehen, als sie 20-jährig bei den Australian Open triumphierte. Kein freudiges Wiedersehen: «Ich hasste ihn, ich hatte Angst vor ihm und wollte ihn nicht wiedersehen.»
Der Glaube verändert alles
Mit 25 Jahren gewinnt Pierce, die den kanadischen, amerikanischen und französischen Pass besitzt, die French Open und findet dann zum Christentum. Mit der Hilfe Gottes sei es ihr gelungen, die Vergangenheit zu verarbeiten. «Mein Leben hat sich komplett geändert. Der Herr kam und hat die Wunden der Vergangenheit in meinem Herzen geheilt. Und ich war in der Lage, meinem Vater zu vergeben.»
Es sind nicht einfach leere Worthülsen. Denn als ihr Vater 2016 an Blasenkrebs stirbt, ist Mary an seiner Seite. Sie begleitete ihn durch die Krankheit und meint rückblickend: «Ich bin sehr dankbar, für die spezielle Zeit, die wir teilten.»