Nachdem es als Spieler nicht klappt, feiert Severin Lüthi als Schweizer Davis-Cup-Captain und Trainer von Roger Federer grosse Erfolge. In einem Instagram-Chat blickt er zurück.
Als Junior peilt Severin Lüthi selbst eine Karriere auf der ATP-Tour an und unterstreicht seine Ambitionen mit dem Schweizer Meistertitel bei den Männern – im Alter von 17 Jahren. Rund drei Jahre später beendet er die kurze Laufbahn allerdings. «Ich wusste in dem Alter nicht genau, was ich will und habe den Weg ein wenig aus den Augen verloren. Du machst halt Fehler, wenn du jung bist», blickt Lüthi zurück. Ihm habe womöglich die Motivation gefehlt. «Aber ich sage immer: Am Schluss interessiert das niemanden. Am Schluss interessiert nur das Resultat – entweder hast du es geschafft, oder nicht.»
Den Durchbruch schafft Lüthi als Coach. 2005 wird er zum Schweizer Davis-Cup-Captain ernannt und lernt Roger Federer besser kennen. «Das erste Mal auf der Bank mit Roger war ich nervös. Da willst du sicher nichts falsch machen, willst ihn nicht noch irgendwie drausbringen», erinnert sich der gebürtige Berner im Instagram-Chat mit dem ehemaligen deutschen Tennis-Profi Christopher Kas an die Anfänge.
Als Federer in einem der ersten Spiele mit dem neuen Captain hochüberlegen in Führung liegt, habe er Lüthi bei einem Seitenwechsel gefragt: «Und wie gefällt es dir bisher als Captain? Da wurde ich dann ein bisschen lockerer», erzählt der 44-Jährige lachend. Ab 2007 begleitet er den Baselbieter auch auf der ATP-Tour. Heutzutage versuche er auf der Bank einfach rauszuspüren, was der Spieler braucht. Situationsabhängig sei das manchmal mehr, manchmal weniger. «Wichtig finde ich, dass du deine Punkte bringst und nicht nur zur Dekoration da bist.»
Das «Phänomen» Roger Federer
Nebst den zahlreichen Erfolgen mit Federer sieht Lüthi vor allem den Davis-Cup-Triumph mit der Schweiz als grosses Highlight. «Das ist schon ein Traum, der wahrgeworden ist», kommt Lüthi ins Schwärmen. Er könne es noch heute kaum glauben, dass man das geschafft habe – insbesondere weil im Vorfeld des Endspiels in Lille nicht alles wie geplant verläuft. Zehn Tage zuvor liefern sich seine beiden Schützlinge, Stan Wawrinka und Roger Federer, an den ATP-Finals in London einen Abnützungskampf sondergleichen. Federer gewinnt in drei Sätzen, verletzt sich dabei aber am Rücken.
Erst eineinhalb Tage vor dem Auftakt der Begegnung wagt er sich wieder auf den Platz. «Roger konnte erst am Mittwochabend wieder ein paar Bälle schlagen, aber das war weit weg von einem Training», schildert Lüthi.
Doch Federer hält durch – und beweist seinem Trainer damit einmal mehr: «Roger ist ein Phänomen. Der vergisst dann plötzlich, dass er Rückenprobleme hat – der ist so im Spiel. Das ist auch eine Stärke von ihm.» In Lille allerdings spürt Federer den lädierten Rücken auch während der letzten Partie gegen Gasquet. «Er hat mir das gesagt bei 4:3 im ersten Satz – ab dem Moment bin ich wie auf Nadeln gesessen.» Wie sich der Baselbieter dann in den Match reingebissen habe, sei faszinierend.
Wawrinka als Leader im Davis-Cup-Final
Faszinierend findet Lüthi aber auch, wie Federer und Wawrinka mit den Differenzen umgehen, die während des intensiven Direktduells in London entstehen. Wawrinka wirft Mirka Federer vor, ihn mit einem Zwischenruf als «Cry Baby» bezeichnet zu haben. «Es gab intern noch ein bisschen Probleme», gibt Lüthi zu. Es sei aber unglaublich gewesen, wie die beiden das gelöst haben. «Als ich mit Stan im Zug nach Lille reiste, konnte er schon wieder ein wenig darüber lachen.» Die beiden hätten dem Ziel Davis Cup alles untergeordnet.
Dementsprechend harmonisch treten «Fedrinka» dann im vorentscheidenen Doppel auf – vor allem der Romand präsentiert sich in überragender Verfassung. «Stan hat Energie gehabt, da krieg ich fast Gänsehaut. Er hat das Doppel am Anfang an sich gerissen, war der Leader. Und ich hab auch gemerkt, wie Roger total auf das anspricht. Die haben sich so gut ergänzt.» Er habe als Davis-Cup-Captain nie ein besseres Doppel gesehen. «Stan und Roger haben das unglaublich gemacht.»