Kommentar Match-Tiebreaks sind absolut sinnvoll – mit einer Ausnahme

Luca Betschart

16.7.2019

Wird es wohl nie mehr geben: John Isner (links) schlägt Nicolas Mahut in Wimbledon 2010 70:68 im fünften Satz.
Wird es wohl nie mehr geben: John Isner (links) schlägt Nicolas Mahut in Wimbledon 2010 70:68 im fünften Satz.
Bild: Keystone

Gleich im ersten Jahr findet das neu eingeführte Match-Tiebreak in Wimbledon erste Anwendung und sorgt für Polemik. «Bluewin» sagt, wie die beste Lösung aussehen könnte.

In den 60er Jahren setzte sich der Amerikaner Jimmy van Alen zum Ziel, den Tennissport dank einer Regelanpassung attraktiver und schneller zu machen. Sein Vorschlag: Genau wie damals beim Tischtennis drei Gewinnsätze auf 21 Punkte zu spielen. Das sogenannte «Van Alen Streamlined Scoring System» wurde daraufhin bei einigen Turnieren ausprobiert, der Versuch kam beim Publikum aber nicht wirklich an, weshalb man schnell zur alten Zählweise zurückkehrte.



Van Alen steckte aber nicht auf und hatte kurze Zeit später mit der Idee der Einführung eines Tiebreaks weit mehr Erfolg. Nach gelungener Testphase führte der Welttennisverband ITF die Kurzentscheidung offiziell ein, erste Anwendung fand die neue Regelung an den US Open 1970. Allerdings wurde das Tiebreak vorerst bei 8:8 ausgetragen und wer zuerst fünf Punkte erzielte, gewann dieses. Ein Zwei-Punkte-Vorsprung wie heute war damals nicht nötig. Ausserdem wurde im entscheidenden Satz kein Tiebreak gespielt, um nicht nur wenige Ballwechsel über Sieg und Niederlage bestimmen zu lassen.

Nach und nach wurden die Regeln angepasst. Seit 1979 gibt es bereits beim Stand von 6:6 eine Kurzentscheidung. Ein Spieler braucht heute bekanntermassen sieben Punkte oder danach zwei Punkte Vorsprung, um als Sieger des Tiebreaks hervorzugehen – diesbezüglich ist man sich aktuell einig.



Vier Grand Slams – vier unterschiedliche Regelungen

Nach wie vor unterschiedlich gehandhabt wird allerdings die Anwendung des Tiebreaks im Entscheidungssatz. Während an ATP-500-Turnieren (oder tiefer) das Tiebreak im dritten Satz ausnahmslos angewandt wird, haben die vier Grand-Slam-Turniere vier unterschiedliche Regelauslegungen für den letzten Satz:


➡️ An den Australian Open gibt es beim Stand von 6:6 ein Tiebreak, allerdings auf 10 Punkte.

➡️ An den French Open wird der Entscheidungssatz nach wie vor ausgespielt.

➡️ Wimbledon setzt seit diesem Jahr beim Stand von 12:12 auf ein klassisches Tiebreak auf sieben Punkte.

➡️ An den US Open wird bereits seit längerer Zeit auf eine Sonderregelung verzichtet – beim Stand von 6:6 gibt es ein normales Tiebreak auf sieben Punkte.


Dass an jedem Major andere Regeln gelten, spaltet in der Tenniswelt die Meinungen. Während einige eine einheitliche Auslegung für alle Turniere bevorzugen, macht es der Status quo für andere spannender. Schliesslich sind beispielsweise auch die Beläge ganz unterschiedlich, was jedes Turnier gewissermassen einzigartig macht. Die optimale Lösung, die den Vorstellungen aller Beteiligten entsprechen, existiert wohl ohnehin nicht.

Sonderregel für den Final?

Einheitlich ist hingegen der Hintergedanke, mit dem das sogennante «Match-Tiebreak» im Entscheidungssatz eingeführt wurde: So soll verhindert werden, dass Spieler sich in einer Partie zu lange duellieren und zu viel Kraft verpuffen – wie beispielsweise Kevin Anderson in Wimbledon im letzten Jahr.

Der Südafrikaner spielte nach fünf Sätzen im Viertelfinal (gegen Roger Federer) auch im Halbfinal ein Marathon-Match, dass er gegen John Isner schliesslich nach über sechst Stunden mit 26:24 im fünften Satz für sich entscheiden konnte. Von den Strapazen konnte er sich bis zum Endspiel nicht erholen und hatte bereits vor dem Spiel nur minimale Siegchancen.

Damit ist aber nicht ersichtlich, weshalb es auch im Endspiel zu einer Kurzentscheidung im letzten Satz kommen muss – wie im Wimbledon-Final zwischen Federer und Djokovic gerade erlebt. Ein episches Duell wird auf diese Weise zu abprupt beendet, obwohl die Spieler danach keine Partie mehr auszutragen haben. Deshalb wäre es zu begrüssen, in Endspielen in Zukunft auf Tiebreaks in Entscheidungssätzen zu verzichten – und zwar an allen vier Grand-Slam-Turnieren.

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