Fast drei Wochen länger als die Frauen müssen die Männer auf den Neustart ihrer Tour warten. Dafür geht es in New York gleich mit einem Turnier der Kategorie Masters-1000 los.
Tennisspieler mit Masken am Flughafen oder im Flieger – von überall her poppten diese Bilder in den letzten Tagen in den sozialen Medien auf. Es ist der Beweis: Nach 175 Tagen Pause geht es auch auf der ATP Tour wieder los – und im Gegensatz zu ersten Befürchtungen sind die Stars in grosser Zahl nach New York gereist. Beim Neustart des Männertennis fehlt aus den Top 8 nur der US-Open-Titelverteidiger und Weltranglistenzweite Rafael Nadal freiwillig. Roger Federer hat seine Saison nach einer zweiten nötig gewordenen Knieoperation schon vor mehreren Monaten beendet.
Der Start erfolgt am Samstag mit der 1. Runde des Masters-1000-Turniers von Cincinnati, das nach New York verlegt wurde, um unnötige Reiserei zu vermeiden. In der eng begrenzten Blase, in der sich die Spieler nur zwischen Unterkunft und Tennisanlage bewegen, findet ab Montag, 31. August, mit dem US Open das zweite Grand-Slam-Turnier des Jahres statt, nachdem Wimbledon abgesagt und das French Open in den Herbst verlegt wurde.
Die Freude auf den Neustart
Während das Frauenfeld bei den beiden Turnieren in Amerika sehr ausgedünnt ist, wird es also bei den Männern keine «Billigsieger» geben. Über die Gründe, warum diese zahlreicher nach New York gereist sind als die Frauen, kann nur spekuliert werden. Es könnte daran liegen, dass in Europa auf Sand im Gegensatz zur WTA Tour in den letzten zwei Wochen keine ATP-Turniere stattfanden und deshalb viele Spieler sehr auf die Rückkehr an Wettkämpfe brennen. Vielleicht sind die Männer auch einfach risikofreudiger als die Frauen. Die Ausnahme macht Rafael Nadal, der trotz seines selbstbewussten Auftretens auf dem Platz als eher ängstlicher und vorsichtiger Mensch bekannt ist.
Dass der Neustart des Tennis durchaus mit Risiken und Unwägbarkeiten behaftet ist, zeigen die letzten Tage. Innerhalb der Blase in New York wurde der Physiotherapeut der beiden südamerikanischen Spieler Guido Pella und Hugo Dellien positiv auf das Coronavirus getestet. Jeder Spieler und Begleiter, die sich im innersten Zirkel dieser Blase bewegen und engen Kontakt untereinander haben, wird bei der Ankunft in New York ein erstes Mal getestet und darf danach während 24 Stunden sein Hotelzimmer nicht verlassen, bis das Ergebnis vorliegt. Es wird sich nun zeigen, ob das Konzept standhält und sich keine weiteren Personen infiziert haben. Pella, Dellien und ihr Physio hatten zuvor gemeinsam in Florida trainiert, einem Bundesstaat, in dem die Fälle in den letzten Wochen wieder stark anstiegen.
Die Konsequenzen sind hart: Die beiden Spieler dürfen nicht zum Masters-1000-Turnier antreten. Falls sie bei weiteren Tests negativ sind, könnte es für das US Open reichen. Auch während der Turniere gilt die Regel: Wer positiv getestet wird oder in engem Kontakt mit einer positiv getesteten Person war, wird aus dem Turnier genommen und verliert seine nächste Partie forfait – egal, ob ihn eine Schuld an der Infektion trifft.
Djokovic hat viel zu gewinnen
Warum trotzdem die meisten Spieler dieses Risiko eingehen, fasste Novak Djokovic stellvertretend zusammen. «Es war kein einfacher Entscheid, aber die Aussicht, wieder Wettkämpfe bestreiten zu können, erfüllt mich mit Spannung», sagte der Serbe vor seiner Abreise nach New York. Er hat auch viel zu gewinnen. Djokovic hat nie einen Hehl daraus gemacht, dass er unbedingt Federers Rekord von derzeit 20 Grand-Slam-Titeln übertreffen will. Da kann er sich die Chance auf den 18. Triumph an einem Major nicht entgehen lassen. Schliesslich verlor er vor einem Jahr in Cincinnati (Halbfinal) und am US Open (Achtelfinal) für seine Verhältnisse früh, kann deshalb nun viele Punkte dazu gewinnen und so den knappen Vorsprung auf Nadal beträchtlich ausbauen. Das ist wichtig, weil der 33-Jährige Mitte März des kommenden Jahres Federers Bestmarke von 310 Wochen an der Spitze der Weltrangliste erreichen könnte.
Schweizer sind ohne Federer und Wawrinka beim Masters-1000-Turnier und danach am US Open keine im Einsatz. Der Waadtländer bereitet sich stattdessen bei zwei Events der zweitklassigen Challenger-Stufe in Prag auf das Masters-1000-Turnier in Rom (ab 14. September) und das French Open in Paris (ab 27. September) vor.