Die beiden Finalisten sind zwar (noch) nicht die ganz grossen Stars, doch am Sonntag spielen Carlos Alcaraz und Casper Ruud bereits um alles: ihren ersten Grand-Slam-Titel und das Nummer-1-Ranking.
Bevor Carlos Alcaraz mit seinem Fünfsatz-Krimi gegen den Amerikaner Frances Tiafoe nachzog, sagte Casper Ruud: «Am fairsten wäre es, wenn wir beide im Final sind, das wäre ideal.» Lachend fügte der 23-jährige Norweger aber hinzu: «Wenn ich heute Abend als Nummer 1 ins Bett gehe, werde ich verdammt gut schlafen.» Er ging nicht als Nummer 1 ins Bett, und die Aussicht auf ein Duell mit dem spanischen Teenager könnte einem gut den Schlaf rauben. Auch wenn Ruud sagte: «Immerhin ist es nicht Nadal.» Gegen diesen blieb er am French Open in seinem ersten Grand-Slam-Final chancenlos.
Stärker als Nadal
Mit erst 19 Jahren ist Alcaraz bereits stärker als sein Landsmann Nadal im gleichen Alter, auch wenn dieser sein erstes French Open noch ein bisschen jünger gewann. Er ist der komplettere Spieler als es Nadal damals war, in Offensive und Defensive gleichermassen gut und bereits ein mentales «Monster».
Hintereinander gewann Alcaraz gegen Marin Cilic, Jannik Sinner und nun Tiafoe drei Fünfsätzer in sechs Tagen. Zweimal beendete er seine Matches nach 2 Uhr morgens. Gegen Sinner wehrte er im vierten Satz einen Matchball ab, gegen Tiafoe vergab er im vierten Durchgang einen fahrlässig – und war im Entscheidungssatz dennoch wieder bereit. Das ist das Holz, aus dem Champions geschnitzt sind. «Im Moment fühle ich mich überhaupt nicht müde», sagte er nach dem Halbfinal – und sah auch so aus.
Wenn sich Alcaraz physisch erholt, ist er im Final der Favorit. Er verfügt über das grössere spielerische Repertoire, hat beide bisherigen Duelle gewonnen und dürfte auch das Publikum im gigantischen Arthur Ashe Stadium mehrheitlich hinter sich haben. Mit seinen spektakulären Auftritten hat er sich bereits viele Fans gemacht. Ruud ist eher der typisch coole Skandinavier, gemeinsam ist den beiden Finalgegnern aber die vorbildliche Arbeitseinstellung.
Eine Frage der Nerven
«Die Nerven werden sicher eine wichtige Rolle spielen», sind sich die beiden einig. Es geht ja auch um viel. Sie kämpfen nicht nur um ihren ersten Grand-Slam-Sieg, sondern auch darum, die neue Nummer 1 zu werden. Mit 19 Jahren und vier Monaten würde Alcaraz Lleyton Hewitt als jüngste Nummer 1 der Geschichte ablösen, Ruud wäre natürlich der erste Norweger an der Spitze des ATP-Rankings.
Juan Carlos Ferrero, der Coach von Alcaraz, wurde übrigens vor 19 Jahren ebenfalls am US Open die Nummer 1. Dies stand allerdings bereits vor dem Final fest, den Ferrero gegen Andy Roddick verlor. Diesen Luxus hat sein Schützling am Sonntag nicht. Seine Zeit dürfte aber so oder so noch kommen, egal wie der Final ausgeht.