Bencic zurück auf der Tour «Olympia ist genauso viel wert wie ein Grand-Slam-Sieg»

ck, sda

16.8.2021 - 13:29

Belinda Bencic befindet sich nach ihrem Olympia-Märchen noch immer im Höhenflug.
Belinda Bencic befindet sich nach ihrem Olympia-Märchen noch immer im Höhenflug.
Getty Images

Zweieinhalb Wochen nach ihrem Olympiasieg kehrt Belinda Bencic in Cincinnati in den Tennis-Alltag zurück. Ein Gespräch über Freunde, Emotionen und die Einzigartigkeit von Olympischen Spielen.

Keystone-SDA, ck, sda

Geplant war alles ganz anders. Belinda Bencic wollte direkt von Tokio nach Montreal zum wichtigen Turnier der 1000er-Kategorie fliegen. Es kam allerdings etwas dazwischen: eine Goldmedaille im Einzel (und eine silberne im Doppel). Deshalb war für die 24-jährige Ostschweizerin klar, dass sie umdisponieren musste. Sie brauchte eine Pause, und sie wollte ihre Freude mit den Menschen in der Schweiz teilen.



Die Tage in der Heimat waren dann «ein bisschen hektischer», wie sie sich im Gespräch mit der Nachrichtenagentur Keystone-SDA erinnert. Anfragen von Medien, Treffen mit Sponsoren, aber auch viel Zeit mit Freunden und Familie. «Dann habe ich aber schon bald wieder zu trainieren begonnen.» Das Nomadenleben einer Tennisspielerin geht weiter, doch die Erinnerungen sind noch sehr präsent.

Konstant im emotionalen Hoch

Bencic war ohne grosse Erwartungen, aber mit viel Vorfreude an die Olympischen Spiele gereist, die sie vor fünf Jahren wegen einer Handgelenksverletzung noch verpasst hatte. «Die Leute hatten mir erzählt, wie es sein würde.» Trotz der speziellen Umstände wegen des Coronavirus wurde die Nummer 11 der Welt nicht enttäuscht. «Es ist fast unmöglich zu beschreiben», schwärmt Bencic auch mit ein paar Wochen Distanz. «Alles war im buchstäblichen Sinn ein Erlebnis. Wir gingen zum Frühstück, das war fantastisch. Dann ins Fitnesscenter, wo all diese anderen tollen Athleten trainierten. All diese Emotionen, diese Freude, ich dachte kaum an Tennis, doch ich war in einem nicht endenden Hoch.»



Bencic stellte in Tokio fest: «Als Tennisspieler ist man gar nicht so wichtig. Alle Athleten erleben an dem Tag das gleiche wie du.» Diese «positiven Vibes» trugen sie durch ein physisch anstrengendes Turnier, bei dem sie meist am gleichen Tag Einzel und Doppel spielen musste. Respektive durfte. «Ich fühlte keine Müdigkeit. Das Doppel war jeweils noch die Kirsche auf dem Kuchen.» Die körperliche Erschöpfung stellte sich dann als erstes ein, «mental war ich aber noch Tage auf einem Hoch.»

Beruflich und privat verbandelt: Belinda Bencic mit Freund und Trainer Martin Hromkovic
Beruflich und privat verbandelt: Belinda Bencic mit Freund und Trainer Martin Hromkovic
KEYSTONE/LAURENT GILLIERON

Olympia ist für alle

In Tenniskreisen zählt ein Grand-Slam-Titel noch mehr als ein Olympiasieg. Bencic bleibt aber dabei, dass die beiden mindestens gleichwertig sind. «Es ist lustig», erzählt sie. Ihr Trainer Sebastian Sachs habe sie gefragt, was sie nehmen würde, wenn sie wählen könnte. «Und ich sagte spontan, den Olympiasieg. Natürlich hatte ich da noch keine Ahnung, dass ich dann gewinnen würde.» Ein Grand-Slam-Titel wäre «natürlich auch cool, und es bleibt ein Traum von mir». Olympia-Gold strahle aber über die Tenniswelt hinaus. «Olympia ist für alle. Auch für Leute, die das Tennis nicht so verfolgen.»

Zwei Medaillen haben allerdings ihre Tücken, wie Bencic feststellen musste. «Sie zerkratzen sich», erklärt sie lachend. «Jetzt passe ich auf, dass sie sich nicht berühren.» Nach Amerika hat Bencic sie allerdings nicht mitgenommen, auch wenn sie nun gut als kleiner Psychotrick dienen könnten. Vor der Erstrunden-Partie am Dienstag könnte Bencic ihr Gold kurz der Gegnerin zeigen. Sie trifft nämlich am Dienstag in Cincinnati ausgerechnet auf Marketa Vondrousova, ihre Finalgegnerin von Tokio.

«Wir haben beide den Kopf geschüttelt, als wir die Auslosung sahen», meint Bencic mit einem Schmunzeln. «Wie kann das sein? Jetzt, wo ich sie grade erst 'abgehakt' und aus dem Kopf gekriegt habe.» Die Schweizerin mit Wurzeln – und teilweisem Wohnsitz – in der Slowakei versteht sich gut mit der zwei Jahre jüngeren Linkshänderin aus Tschechien. «Es ist schön, weil ich mit ihr Slowakisch sprechen kann.» Bencic erwartet erneut einen Abnützungskampf, doch «werden wir diesmal sicher beide etwas relaxter sein».

Anreise mit Hindernissen

Für Bencic geht es in erster Linie darum, sich für das US Open wieder in Form zu bringen. Die Anreise nach Cincinnati war eher mühsam, gleich zwei Anschlussflüge in Chicago wurden gestrichen, so dass Bencic, ihr Freund und Fitnesscoach Martin Hromkovic sowie Coach Sebastian Sachs eine Nacht dort verbringen mussten, ehe sie weiterreisen konnten. Wirklich Stress bedeutet das für die Schweizerin nicht. «Der Körper brauchte eine Pause um zu regenerieren, aber tennismässig fühle ich mich gut.» Im Bundesstaat Ohio geht es in erster Linie darum, wieder einen Rhythmus zu finden.

Am US Open vor zwei Jahren kam Bencic mit dem Halbfinal ihrem zweiten Traum so nahe wie nie zuvor. Vielleicht trägt sie das emotionale Hoch ja gleich vom einen zum nächsten.