Kommentar Quittung für die lange Absenz: Kyrgios und der hohe Preis der Vernunft

Von Luca Betschart

6.1.2021

Wird aller Voraussicht nach beim ATP Cup fehlen: Nick Kyrgios.
Wird aller Voraussicht nach beim ATP Cup fehlen: Nick Kyrgios.
Bild: Keystone

Nach fast elf Monaten ohne ein Pflichtspiel plant Nick Kyrgios Anfang Februar sein Comeback. Die Rückkehr auf den Platz dürfte sich der einstige Tennis-Rüpel aber anders ausgemalt haben.

Rund ein Jahr ist es her, als sich Nick Kyrgios von einer bis dahin eher unbekannten Seite zeigt. Erst lanciert der Australier eine grosse Spendenaktion für die zahlreichen Opfer der Buschbrände in der eigenen Heimat, überweist selbst 200 Dollar für jedes geschlagene Ass und gewinnt so zahlreiche Fan-Herzen. Später entpuppt sich der Bad Boy während der Corona-Pandemie auch als mahnende Stimme der Vernunft – und als Vorbild.

Die regelmässigen Ausrutscher seiner Berufskollegen kritisiert Kyrgios ausnahmslos mit scharfen Worten, er macht dabei auch vor grossen Namen wie Novak Djokovic oder Boris Becker nicht Halt. Gleichzeitig packt der 25-Jährige mit an, bietet sich als «Pöstler» an und liefert Bedürftigen Einkäufe nach Hause. 



Keine Rückkehr auf die Tour 2020

Als die ATP-Tour im Herbst die Wiederaufnahme des Spielbetriebs ankündigt, stehen für Kyrgios nach wie vor andere Dinge im Vordergrund. Die US Open sagt er ohne zu zögern ab. «Lasst uns einmal durchatmen und erinnern wir uns, was wirklich wichtig ist», begründet er damals in einer Videobotschaft seinen Entscheid.

Zugleich macht er klar, dass er kein Problem mit der Austragung des Events in Flushing Meadows habe – für jene Spieler, die spielen wollten. Mit einer Voraussetzung: «Ihr müsst im Interesse von den anderen handeln, ihr könnt nicht auf Tischen tanzen oder geldgierig durch Europa reisen.»

Wenig später erteilt Kyrgios auch den verschobenen French Open eine Absage, ohnehin kehrt er 2020 nicht mehr auf die Tour zurück. «Ich werde einfach verantwortungsvoll handeln und warten, bis ich glaube, dass es bessere Umstände zum Spielen gibt», gibt Kyrgios zu Protokoll. Dafür erhält er nun aber die Quittung.

Ein hoher Preis

Elf Monate lang bestreitet Kyrgios somit keine einzige Partie auf der Tour, zuletzt jagte er der gelben Filzkugel im Februar in Acapulco hinterher – damals noch als Nummer 23 der Weltrangliste. Im Anschluss rutscht er im Ranking immer weiter ab und liegt aktuell noch auf Platz 46. Das hat seine Folgen.



Denn beim ATP Cup, der Anfang Februar unmittelbar vor den Australian Open ausgetragen wird, vertreten jeweils die beiden bestklassierten Einzelspieler des Landes die eigene Nation. Zu diesen gehört Kyrgios mittlerweile nicht mehr – Alex de Minaur (ATP 23) und John Millman (ATP 38) stehen ihm diesbezüglich vor der Sonne.

Vorausgesetzt, de Minaur und Millman können antreten, wird dem beliebten Teamwettkampf damit eine der Hauptfiguren des Vorjahres fehlen. Stattdessen kehrt der Lokalmatador bei einem gleichzeitig stattfindenden, weit weniger prestigeträchtigen 250er-Turnier auf den Platz zurück. Es ist ein hoher Preis, den Kyrgios für seine vorbildliche Einstellung im abgelaufenen Jahr bezahlen muss.

Zurück zur StartseiteZurück zum Sport