Der Berner Oberländer Dominic Stricker und der Zürcher Leandro Riedi wollen am French Open ihre letzte Chance auf einen Grand-Slam-Titel bei den Junioren nützen. Die Aussichten sind ziemlich rosig.
An Selbstvertrauen mangelt es dem Schweizer Tennisnachwuchs nicht. «Ich habe schon vor dem Turnier gesagt: Ein Schweizer Final wäre cool», verrät der 18-jährige Leandro Riedi. Und der gleichaltrige Dominic Stricker findet: «Ja, warum nicht?» Schweizer Juniorentitel haben am French Open durchaus eine gewisse Tradition. Heinz Günthardt (1976) und Stan Wawrinka (2003) gewannen bei den Männern, Martina Hingis (1993 und 1994), Belinda Bencic (2013) und die mittlerweile für Spanien spielende Rebeka Masarova (2016) bei den Frauen.
Auch Stricker und Riedi dürfen durchaus vom grossen Coup träumen, denn beide haben bei ihren drei Siegen auf dem Weg in die Viertelfinals noch keinen Satz verloren. Eine Überraschung ist das nicht: In ihrer Altersklasse sind sie die Nummern 10 und 11 der Welt.
In den eigenen Händen
Yves Allegro, der langjährige Davis-Cup-Spieler, ehemalige U23-Cheftrainer von Swiss Tennis und aktuelle Coach von Riedi, ist überzeugt, dass die Aussichten auf diesen historischen Schweizer Final nicht so schlecht stehen. «Es gibt natürlich auch andere gute Spieler im Feld, aber meiner Meinung nach haben es die beiden in den eigenen Händen, in den Final zu kommen.» Der Druck, bei diesem letzten Grand Slam ihrer Juniorenkarriere zu reüssieren ist zwar beträchtlich, anderseits freuen sie sich, in Paris überhaupt spielen zu können.
«Ich hätte nicht mehr unbedingt damit gerechnet, dass das Juniorenturnier stattfindet», gibt Stricker zu, nachdem Wimbledon ganz ausfiel und am US Open nur die Profis zum Einsatz kamen. Die Junioren nahmen einiges auf sich, um im Stade Roland-Garros dabei sein zu können, nicht nur Kälte und Wind. Am Anfang stand, wie in vielen anderen Sportarten auch, ein Coronatest und eine 24-stündige Wartezeit im Hotelzimmer. «Das war schon recht mühsam», erzählt Riedi. «Zu Beginn war auch das Essen kalt und schlecht, und man konnte sich nichts anderes besorgen. Nun ist aber alles gut.» Auf der Tennisanlage dürfen sich die Junioren frei bewegen, aber ihr Leben spielt sich nur im Hotel, im Shuttle-Bus und auf dem Wettkampfgelände ab.
Jassen gegen Lagerkoller
Umso mehr sind die Schweizer froh, dass sie gleich zu viert in Paris weilen. Neben Stricker und Riedi im Einzel und Doppel erreichten auch Jeffrey von der Schulenburg und der ein Jahr jüngere Jérôme Kym im Doppel die Achtelfinals. Um dem Lagerkoller zu entgehen, greifen die Schweizer zu einem altbewährten Mittel: dem Jassen. Mit einer Online-App spielen sie praktisch jeden Abend zusammen Schieber – jeder auf seinem Zimmer, aber via Chat miteinander verbunden. «Da wir die gleichen Karten anfassen würden, können wir nicht real an einem Tisch sitzen», erklärt Riedi.
Vor einem Monat gelang Riedi in der Qualifikation des ATP-Turniers in Kitzbühel gegen den Slowaken Andrej Martin im Tiebreak des dritten Satzes der erste Sieg gegen einen Top-100-Spieler. «Da habe ich gesehen, dass ich körperlich und spielerisch bis zum Schluss mithalten kann.» Das French Open ist nun nochmals ein letzter Ausflug in die Welt der Junioren. Danach folgt definitiv der Übertritt zu den Profis mit all seinen Unwägbarkeiten, die in Zeiten von Corona mit fast wöchentlichen Turnierabsagen noch grösser sind als sonst. «Man muss flexibel sein und dort Turniere spielen, wo es möglich ist», wissen Riedi und Stricker. Denn trainiert haben sie den Sommer über genug.