Kommentar Vergesst die Jungen! «Delpo» wird die nächste Nummer 1

Martin Abgottspon

29.3.2018

Juan Martin del Potro hat derzeit gerade den Lauf seines Lebens. Er jagt in Miami nicht nur das «Sunshine Double», sondern auch Federers Saisonrekord von 2017. Darüber hinaus betreibt er auch beste Eigenwerbung, die nächste Numer 1 zu werden.

Als Juan Martin del Potro 2009 bei den US Open seinen bisher einzigen Grand-Slam-Titel in die Höhe stemmte, war für viele klar: Dieser Mann wird der nächste Dominator im Männertennis. Doch wie so oft im Sport kam erstens vieles anders und zweitens als man denkt. Del Potro verletzte sich am Handgelenk. Operation für Operation musste der «Turm von Tandil» über sich ergehen lassen. Und dennoch hat er die Hoffnung nie aufgegeben, eines Tages wieder mit den Besten mithalten zu können.

Das ist jetzt der Fall. Von 24 Matches in diesem Jahr gewann der Argentinier bereits 21. Im Moment steht er nach seinem Halbfinal-Einzug in Miami bei 15 Siegen in Serie. Nur zwei weitere Erfolge fehlen ihm, um Federers Saisonrekord von 17 Siegen in Serie zu egalisieren.

Aus der Not zur Tugend

Dass ihm dieses Kunststück gelingt, ist sehr wahrscheinlich. Nicht nur weil er über das Spiel, sondern auch die mentale Verfassung verfügt, jeden Spieler zu eliminieren. Beim Final von Indian Wells hat er das gegen Roger Federer eindrücklich demonstiert. Mit seinen Siegen gegen Zverev, Thiem, Anderson und zuletzt Raonic hat er seine hervorragende Form dann auch in Miami deutlich unterstrichen. Del Potro ist definitiv wieder ganz oben angekommen. Nicht zuletzt, weil er sich in all den Jahren des Schmerzes neu erfunden hat.

Der Juan Martin del Potro von heute ist nicht zu vergleichen mit jenem von 2009. Auf der Vorhand-Seite sieht zwar alles noch ziemlich ähnlich aus: flache und satte Schüsse, die wie Geschosse übers Netz peitschen. Auf der Rückhand-Seite aber kommen entscheidend neue Elemente zum Tragen. Del Potro setzt nicht mehr ausnahmslos auf die Methode «Brechstange». Das kann er auch gar nicht, denn dadurch kehren die Schmerzen am Handgelenk zurück. Stattdessen spielt er jetzt immer öfter Slice. Was sich andere Akteure wie Federer zusehends abtrainieren, ist im Fall von Del Potro zu einer echten Waffe geworden. Durch seine Grösse bohrt sich der Ball mit Unterschnitt fast in den Boden ein. Die Gegner können die Bälle nur sehr schwer attackieren und wenn der 29-Jährige dann noch einen perfekten Stopball folgen lässt, dann wird es oft richtig hart.

«Ich weiss, dass ich ein anderes Spiel spiele als vor ein paar Jahren. Ich mixe es mit Slice, mit Dropshots. Ich versuche öfter ans Netz zu kommen», erklärte er in Indian Wells. Und Delpo weiss um die Attraktivität des Ganzen: «Ich mag es, wie ich nun spiele. Es macht mehr Spass zuzuschauen.»

Am Montag schon die Nummer 3?

Sollte Del Potro in Miami tatsächlich gewinnen, wäre er am Montag die neue Nummer 3 der Welt. Natürlich hat er gegenüber Nadal und Federer auch dann noch ein beachtliches Punktepolster wett zu machen, wenn er den Tennis-Thron tatsächlich im Visier hat. Aber warum nicht? Auf Sand könnte Del Potro noch einmal einige Punkte dazu gewinnen. Und dass er auch auf der roten Unterlage unwiderstehlich auftreten kann, wissen wir nicht erst seit dem legendären French-Open-Halbfinal aus dem Jahr 2009, als er erst nach fünf Sätzen gegen Federer den Kürzeren zog.

Sein primärer Wunsch ist es, als der geduldigste Spieler aller Zeiten in die Geschichtsbücher einzugehen. Das hat er wohl bereits geschafft. Zeit für den Argentinier, jetzt noch an ein paar weiteren Kapiteln der Tennisgeschichte zu schreiben.

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