Kommentar Wieso Federer ein Forfait für die Aussie Open verkraftet – und wieso nicht

Luca Betschart

15.12.2020

Hat nach wie vor mit seinem Knie zu kämpfen: Roger Federer.
Hat nach wie vor mit seinem Knie zu kämpfen: Roger Federer.
Bild: Keystone

Ob und wann Roger Federer sein Comeback auf der ATP-Tour geben kann, steht aktuell noch in den Sternen. Ein allfälliges Forfait für die Australian Open könnte sich deshalb aber auch als kluger Schachzug entpuppen. 

Eigentlich will Roger Federer sein verletztes rechtes Knie bereits im vergangenen Oktober wieder voll belasten. Nun ist er auch zwei Monate später noch nicht dazu im Stande. Selbst bei einer Verschiebung der Australian Open, die wegen strikter Einreisebeschränkungen womöglich erst am 8. Februar beginnen, droht Federer deshalb den angepeilten Saisonstart zu verpassen. Das bereitet nicht nur seinen Fans Sorgenfalten.



Am Rande der «Sports Awards» am Sonntag betont der 39-Jährige allerdings, dass es seit seiner zweiten Operation im Juni stetig aufwärts gehe. Nur: Dass er sechs Monate danach trotzdem noch nicht voll trainieren kann, ist für Aussenstehende nicht wirklich ein beruhigendes Zeichen. Und ein grosser Unterschied zur Zwangspause in der zweiten Jahreshälfte 2016, als der Basler nach einem optimalen Heilungsprozess in erstaunlicher Verfassung auf die ATP-Tour zurückkehrte und in Melbourne sogleich triumphierte.

Die fehlende Wettkampfpraxis

Damals bleibt Federer für rund ein halbes Jahr ohne Matchpraxis. Muss er nun auch für das erste Major-Turnier der neuen Saison 2021 passen, würde er seit über einem Jahr auf einen Ernstkampf warten. Die Suche nach dem Vertrauen – sowohl in das Knie als auch in die eigenen Fähigkeiten – würde komplizierter. Insbesondere, wenn die Konkurrenz grösstenteils bereits seit September wieder Turniere bestreitet und keine Anlaufzeit mehr braucht. Die Uhr tickt gegen den Maestro – und doch wäre eine überstürzte Rückkehr ein womöglich folgenschwerer Fehler.

Das weiss natürlich auch Federer. «Wir lassen uns Zeit, die nächsten zwei, drei Monate werden enorm wichtig für mich werden», macht er bei den «Sports Awards» klar. Der vierfache Familienvater lässt durchblicken, dass sein Fokus nicht unbedingt auf dem ersten Grand-Slam-Turnier des Jahres liegt. Vielmehr peilt er die Highlights im kommenden Sommer an, vor allem in Wimbledon und bei den Olympischen Spielen in Tokio will er konkurrenzfähig sein. Das verlangt ein behutsames Vorgehen.

Der Zeitfaktor ist sekundär

Langfristig ist es unter Umständen sogar von Vorteil, wenn Federer die Aussie Open 2021 sausen lassen müsste. Statt sofort ein kräftezehrendes Grand-Slam-Turnier mit Matches über fünf Sätze zu bestreiten, könnte sich Federer über kleinere Turniere an den Turnieralltag herantasten. Die French Open, das zweite Grand Slam des Jahres, gehen erst Ende Mai über die Bühne.

Hinzu kommt, dass die ATP-Weltrangliste noch bis im März kommenden Jahres eingefroren ist. Die eingespielten Punkte aus dem letztjährigen Halbfinal-Einzug in Melbourne würde Federer also nicht verlieren, seine gute Position im Ranking hätte Bestand. Dadurch hätte der Schweizer jeweils bessere Chancen auf eine günstige Auslosung und könnte die allergrössten Brocken zumindest in den ersten Turnier-Runden meiden – ein nicht zu unterschätzender Vorteil für einen Langzeitverletzten. 

Unter dem Strich ist somit sekundär, ob Federer im Februar oder erst im April sein Comeback gibt. Hauptsache, der Maestro kehrt noch einmal auf den Platz zurück.

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