Interview «Das erste Mal kommt man nach Wimbledon, um das WC zu suchen»

Aus Wimbledon: Roman Müller

11.7.2018

Henry von der Schulenburg während seinem Wimbledon-Debüt gegen Jack Draper.
Henry von der Schulenburg während seinem Wimbledon-Debüt gegen Jack Draper.
Bild: Screenshot ITF

Henry von der Schulenburg aus Küsnacht ist einer von sechs Schweizer Junioren, die dieses Jahr in Wimbledon an den Start gingen. Teleclub Sport hat den 18-Jährigen vor Ort getroffen, um über seine Eindrücke bei seinem Grand-Slam-Debüt und seine Zukunftspläne zu sprechen.

Henry, du bist zum ersten Mal hier in Wimbledon. Das muss total aufregend sein für dich.

Ja, das ist es wirklich. Ich war vor drei Jahren als Zuschauer an den French Open. Aber hier zu sein und dann noch als Spieler, ist etwas ganz Anderes. Zudem war es nicht sicher, ob ich es überhaupt ins Hauptfeld schaffe. Ich musste mich zuerst durch die Qualifikation kämpfen. Es war schon immer mein Traum, einmal an einem Grand Slam zu spielen. Deshalb war ich sehr aufgeregt und habe es trotzdem geschafft und das ist einfach nur unglaublich.

Was sind deine Eindrücke des Turniers?

Es ist das Paradies! In den ersten Tagen kam ich kaum aus dem Staunen heraus, wusste nicht richtig, was hier passiert. Wir dürfen uns hier in denselben Bereichen wie Federer, Nadal und Djokovic aufhalten. Sie tun hier wirklich alles für die Junioren und behandeln uns wie die Profis – mal abgesehen vom Preisgeld.

Auch die Unterlage war sicher etwas Neues für dich?

Ja, ich bin ein Sandplatzspieler und habe einen ziemlich extremen Vorhandgriff. Und da hatte ich zu Beginn grosse Mühe auf dem Rasen, wo der Ball viel mehr durchrutscht. Auf Rasen hat man viel weniger Halt, der Körper muss immer «tief bleiben». Ausserdem ist der Aufschlag viel wichtiger und der Return viel schwieriger. Ich konnte vor Wimbledon erstmals in Zürich ein paar Tage auf Rasen spielen. Dafür ist es erstaunlich gut gelaufen. Ich fühle mich schon ziemlich wohl auf Rasen.

Wie war denn dein erstes Spiel auf einem Wimbledon-Platz im Hauptfeld und vor Zuschauern?

Es war eine tolle Erfahrung – mit Ballkindern, Linienrichtern, Publikum … aber ich war extrem nervös. Meine Beine haben überhaupt nicht das getan, was ich wollte. Ich wurde hektisch und dann war der erste Satz schon vorbei. Im zweiten Satz wurde es dann immerhin etwas knapper, aber mein Gegner war auch ziemlich gut. Jemand hat mir gesagt: «Beim ersten Mal kommst du nach Wimbledon um zu schauen, wo das WC ist. Das zweite Mal versuchst du, etwas zu spielen und beim dritten Mal versuchst du, ein gutes Resultat zu erzielen». Ich hoffe nun, dass ich vielleicht am US Open spielen kann und dann würde ich sicher von dieser Erfahrung hier profitieren.

Du reist sehr viel herum. Macht dir das nichts aus?

Nein überhaupt nicht. Ich mache das jetzt schon seit vier Jahren, war alleine dieses Jahr schon in Paraguay und Brasilien. Man sieht zwar nicht so viel von den Ländern, die man besucht, aber auch daran gewöhnt man sich. Profis reisen noch viel mehr als ich – gegen 35 Wochen pro Jahr. Ich weiss nicht, ob dass vielleicht zu viel für mich wäre. Aber im Moment macht mir auch das Reisen Spass.

Und hier? Nimmst du dir auch Zeit, den Profis zuzuschauen?

Klar. Wenn etwa Roger oder Rafa spielen oder trainieren, schaue ich immer gerne zu. Zu Beginn habe ich das noch etwas öfters gemacht. Man kann immer irgendetwas lernen, wenn man ihnen zuschaut. Aber eigentlich geht es mehr um die Inspiration.

Hattest du schon mal die Chance, mit ihnen zu reden?

Uns wurde geraten, zu Beginn etwas Abstand zu halten. Dass man ihre Privatsphäre respektieren soll. Mit Gaël Monfils konnte ich ein kurzes Schwätzchen halten, als er auf dem Platz neben mir spielte. Mit Roger habe ich kurz ein Foto gemacht, aber für ein Gespräch hatten wir keine Zeit. Es waren so viele Leute da. Aber ich denke, Roger ist so nett, er würde sicher nicht nein sagen, wenn ich mal mit ihm reden wollte. Das habe ich noch nicht getan. Vielleicht hole ich das mal noch nach.

Du bist langsam aber sicher im Alter, wo du dich für oder gegen eine Profikarriere entscheiden musst. Gibt es schon eine Tendenz?

Profi zu werden ist sicher eine Option. Aber für mich war eigentlich immer klar, dass ich mich zunächst um meine Ausbildung kümmern will. Deshalb möchte ich gerne in einem Jahr nach meiner Matura in die USA gehen, um dort auf ein College zu gehen. Das ist ein Ziel, das ich schon lange vor Augen habe und meine Schwester machte das auch so. Es gibt dort viele Colleges, die eine gute Tennis-Abteilung haben und es gibt einige Spieler – zum Beispiel John Isner oder Kevin Anderson – die nach ihrer College-Ausbildung noch gute Profis wurden.

Wo siehst du dich in fünf Jahren?

Falls das mit dem College klappt, wäre ich dann wohl gerade etwa fertig damit. Dann wäre es natürlich toll, wenn ich noch gut genug wäre, um es noch als Tennisprofi zu versuchen. Aber dort einen guten Abschluss zu machen, wäre mir mindestens genauso wichtig.


Hat einen klaren Plan: Wimbledon-Debütant Henry von der Schulenburg will aufs College.
Hat einen klaren Plan: Wimbledon-Debütant Henry von der Schulenburg will aufs College.
Bild: ZVG

Henry von der Schulenburg ist 18 Jahre jung, er spielt seit seinem vierten Lebensjahr Tennis. Zurzeit absolviert er seine Ausbildung am Sport-Gymnasium Rämibühl in Zürich. Als aktuelle Nummer 74 des Weltjunioren-Rankings hat er es beim Junioren-Turnier von Wimbledon als Qualifikant ins Hauptfeld geschafft. Er sagt, dass er nie ein grosses Tennis-Idol hatte und wenn, dann war das sogar eher Rafael Nadal als Roger Federer. 

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