Vladimir Petkovic gibt sich gegenüber der Öffentlichkeit seit einiger Zeit etwas zugänglicher. Nicht zufällig setzte dieser Prozess ein, nachdem sich der SFV im Sommer 2019 neu aufgestellt hatte.
Die Frage von Vladimir Petkovic hätte man als verbale Kriegserklärung an den Neuen auslegen können. «Was macht dieser genau? Ist er für die Aufstellung verantwortlich?» Petkovic antwortete mit dieser Art der Rhetorik auf eine Frage nach dem neuen Nationalmannschaftsdirektor. Kurz zuvor hatte der SFV via Berater Bernhard Heusler bekannt gegeben, dass er die Strukturen professionalisieren wolle. Dazu gehörte auch, dass Petkovic einen direkten Vorgesetzten erhalten sollte – eben den Nationalmannschaftsdirektor.
Als Petkovic auf die Frage mit der Gegenfrage antwortete, hatte er gerade ein schwieriges Jahr zu bilanzieren. Es war im November 2018, wenige Monate nach der Doppeladler-Affäre von Russland und der Achtelfinal-Niederlage an der WM gegen Schweden. Es war ein Jahr, in welchem Umwälzungen im SFV angestossen wurden. Präsident, Generalsekretär, Delegierter der Nationalmannschaft, Kommunikationsleiter: Fast alle SFV-Führungskräfte wurden innerhalb von zwölf Monaten ausgetauscht. Nur eine nicht: Nationaltrainer Vladimir Petkovic.
Es war die Zeit, in der Petkovic zum starken Mann im SFV aufstieg. Da passte es, wo er an diesem Nachmittag sass, als er seinen noch nicht namentlich bestimmten Vorgesetzten mit eben diesen zwei rhetorischen Fragen begrüsste: Im Hotel Bellevue Palace, in Bern das beste Haus am Platz, gegenüber dem Bundeshaus. Und der Raum, in dem Petkovic für die Medien Hof hielt? «Salon Président».
Ein Chef im Hintergrund
Was vor zwei Jahren nach einer gefährlichen Entwicklung ausgesehen hatte, ist in den letzten Monaten auf einen guten Weg gekommen. Das hat viel mit Pierluigi Tami zu tun, dem Mann, der seit zwei Jahren im Verband als Nationalmannschaftsdirektor Petkovics Chef ist. Die Aufstellung lässt sich Petkovic weiterhin nicht diktieren. Aber er akzeptiert die Rolle eines Vorgesetzten, weil diese mit Tami eine Person ausfüllt, die als ehemaliger Coach der Schweizer U21-Auswahl und Trainer in der Super League kompetent ist in sportlichen Fragen.
Der 59-jährige Tami untergräbt dabei nicht die Autorität des zwei Jahre jüngeren Petkovic. Er drängt sich nicht vor den Trainer, aber er beeinflusst den Nationalcoach im Hintergrund so weit, dass dieser zulässt, dass von ihm ein besseres Bild nach aussen transportiert werden kann. Das Zusammenspiel zwischen Tami und Petkovic klappt. Sie können sich auf Italienisch unterhalten und sie können sich in ihrem Wohnort Minusio bei Locarno auf die Schnelle auf einen Espresso treffen.
Öffnung statt Abschottung
Im SFV wollen sie verhindern, dass eine Situation der völligen Abschottung eintritt, wie sie an der WM vor drei Jahren nach der Doppeladler-Affäre von Petkovic orchestriert wurde. Bis zu Tamis Engagement vor zwei Jahren hatte Petkovic immer wieder eingefordert, dass man den Menschen Vladimir hinter dem Nationaltrainer Petkovic respektiert – ohne etwas dafür zu tun, dass man diesen Menschen auch kennenlernen durfte.
Zuletzt aber gab Petkovic mehr Interviews als früher. Er lässt sich hinter den Mikrofonen auch einmal zu einem Scherz hinreissen oder zeigt vor den Kameras häufiger ein gelöstes Lächeln. In einem Interview mit der Nachrichtenagentur Keystone-SDA sagte er: «Ich denke, ich konnte mich in letzter Zeit besser verkaufen. Die Leute sehen mich nicht nur von vorne, sondern auch von der Seite – und hoffentlich auch von hinten, also den kompletten Menschen Vlado.»
Tami erläuterte kürzlich: «Wir verfolgen eine klare Strategie: Wir wollen offen und transparent sein und so Missverständnissen vorbeugen. Aber es gibt auch Momente, in denen dies nicht zu 100 Prozent möglich ist. Dann ist unsere Art der Kommunikation Teil einer Strategie.» Mit solchen Aussagen suggeriert Tami Professionalität und bestellt den Boden für Verständnis in der Öffentlichkeit.
Gewonnen hat die Schweiz damit noch kein Spiel an der EM, aber wie sagte es Heusler vor etwas weniger als drei Jahren? «Wir haben nicht den Auftrag erhalten herauszufinden, was zu tun ist, damit die Schweiz in einen Viertelfinal kommt. Aber wir wollen Strukturen schaffen, dass sich der SFV so aufstellen kann, dass ein gutes Resultat möglich ist.» In Russland war ein gutes Resultat nicht möglich, an der EM soll es realisiert werden. Auch dank der Minusio-Connection.