Die Schweizer Mountainbiker gehen 2024 in den wichtigsten Rennen leer aus. Beim Weltcup-Finale in Kanada sorgen Sina Frei und Alessandra Keller für einen versöhnlichen Abschluss.
Alessandra Keller: Das zweite Double
Die 28-jährige Nidwaldnerin war wie 2022 die konstanteste Fahrerin bei den Frauen. Zwar blieb Keller wie alle Schweizer Elite-Fahrerinnen und -Fahrer ohne Olympia- und WM-Medaille, im Weltcup sammelte sie aber so viele Punkte wie keine andere. Sie fuhr in jedem der acht Cross-Country-Rennen in die Top 10 und klassierte sich dreimal auf dem Podest. Hinzu kommen zwei Siege, ein 2. und ein 3. Platz im Short Track, was ihr wie 2022 das Double aus Gesamtweltcup und Short Track einbrachte.
«Ich bin stolz auf mich und meine Konstanz über die Saison. Dass ich den Gesamtweltcup und den Disziplinensieg im Short Track heimbringe, ist auch eine Belohnung für mein Team, das mich über das ganze Jahr perfekt unterstützt hat. Der Gesamtweltcup steht bei mir in dieser Saison über allem», sagte Keller nach dem 5. Platz zum Abschluss in Mont-Sainte-Anne. Als Schwerpunkt für das kommende Jahr strich sie die Heim-WM im Wallis heraus. «Auf dieses Ziel wird die ganze Saison ausgerichtet sein.»
Sina Frei: Vier Podestplätze für ein spätes Hallelujaa
Bis zum Abstecher nach Nordamerika erlebte Sina Frei eine Saison zum Vergessen. Im Mai verletzte sie sich an der Hand, nach sechs Weltcups stand im Cross-Country ein 9. Platz als Bestresultat zu Buche. An den Olympischen Spielen, an denen sie für eine Teilnahme auf das Forfait von Jolanda Neff angewiesen war, und an der WM verpasste sie die ersten 15. Das Warten der 27-jährigen Zürcherin und einst zweifachen U23-Weltmeisterin auf den Durchbruch bei der Elite schien sich um ein weiteres Jahr zu verzögern.
Dann kamen die Rennen in Übersee – und in diesen machte sich Frei die Abwesenheit von Olympiasiegerin Pauline Ferrand-Prévot und der letztjährigen Gesamtweltcupsiegerin Puck Pieterse am meisten zunutze. In Lake Placid und Mont-Sainte-Anne realisierte sie als Zweite und Dritte ihre ersten Podestplätze im Cross-Country, dazu gewann sie die beiden Short Tracks. «Nachdem ich Anfang Saison 'gestruggelt' bin, ist das ein tolles Happy End für mich. Jetzt kann ich entspannt in die Offseason gehen und in Ruhe daran anknüpfen», hielt Frei fest.
Jolanda Neff: Atemprobleme und Olympia-Forfait
Jolanda Neff ist Olympiasiegerin (2021), Weltmeisterin (2017) und dreifache Gesamtweltcupsiegerin (2014, 2015, 2018). 2024 kamen keine weiteren Erfolge dazu. Das Jahr der 31-jährigen St. Gallerin war geprägt vom Ringen nach Luft. Anfang Juni erhielt Neff die Diagnose EILO, eine anstrengungsbedingte Verengung des Kehlkopfes. Spitzenresultate rückten in den Hintergrund. «Ich muss das Atmen neu lernen», sagte Neff damals. Sie liess drei Weltcuprennen aus und musste auch ihren Olympiastart absagen. An der WM verpasste sie die Top 30.
Aus Kanada, wo sie nach einem Sturz aus dem Rennen ausstieg, liess Neff verlauten, dass ihr aktuell zwar «die Beine fehlen», sie die Atemprobleme aber in den Griff bekommen hat und sie positiv gestimmt ist.
Colombo/Schurter/Flückiger: Neue Nummer 1 und offene Zukunft
Als Gesamtdritter war Filippo Colombo 2024 zum ersten Mal der beste Schweizer im Weltcup. Die Saison des 26-jährigen Tessiners, der zweimal auf das Weltcup-Podest fuhr, war aber auch begleitet von Misstönen über die Nicht-Selektion für die Olympischen Spiele, an denen die Routiniers Nino Schurter und Mathias Flückiger den Vorzug erhielten. 2025 könnte der zum ersten Mal seit Längerem über eine grössere Zeitspanne unverletzte Colombo zur unbestrittenen Schweizer Nummer 1 werden. Nino Schurter ist 39, Mathias Flückiger 36 Jahre alt.
Schurter hatte sich vor den Olympischen Spielen noch einmal in Topform gebracht. Mit seinem 36. Weltcupsieg in Val di Sole bescherte er Swiss Cycling den einzigen Saisonsieg im Cross-Country, dazu wurde er Zweiter in Nove Mesto. Aus einer vierten Olympia-Medaille und dem elften WM-Titel wurde in der Folge nichts. Zum Saisonende hin fiel die Form ab und entglitt auch der zehnte Gesamtweltcupsieg. «Zum ersten Mal in meiner Karriere musste ich eingestehen, dass ich es übertrieben habe», musste der Rekordmann einräumen. Im Juni schien klar, dass Schurter seine glorreiche Karriere fortsetzen würde. Nun gibt es wieder leise Fragezeichen. Der Bündner liess seine Zukunft bislang offen.
Mathias Flückiger begann die Saison dürftig und beendete sie durchwachsen. Dazwischen kam der durch eine vermeintliche Dopingaffäre vorübergehend aus der Bahn geworfene Berner wieder nahe an sein bestes Niveau heran und wurde zweimal Zweiter im Weltcup. Auch er blieb indes ohne Olympia- (5. Platz) und WM-Medaille (8.).
Nicole Koller, Marcel Guerrini und Co.: Annäherung
Marcel Guerrini liebäugelte dank guter Frühform und einem 3. Platz in Nove Mesto ebenfalls mit einem Olympia-Aufgebot. Letztlich blieb der 30-jährige St. Galler als 13. im Gesamtweltcup, praktisch gleichauf mit Lars Forster (14.), deutlich hinter dem Schweizer Top-Trio Colombo/Schurter/Flückiger.
Nicole Koller näherte sich im Schatten von Alessandra Keller und Sina Frei der Spitze an. Die 27-jährige Zürcherin fuhr dreimal in die Top 10 und beendete die Saison als Elfte im Gesamtweltcup vor Linda Indergand (14.), der Olympia-Dritten von 2021, und vor Neff (30.). Die 26-jährige Ostschweizerin Steffi Häberlin beendete die Saison mit ihren ersten beiden Top-10-Plätzen.