Besorgte Weggefährten «Als habe er kein Drogenproblem, sondern spiele einfach ein bisschen Rockstar»

DPA

26.8.2018

Der gefallene ex-Radstar Jan Ullrich unterzieht sich derzeit einer Therapie.
Der gefallene ex-Radstar Jan Ullrich unterzieht sich derzeit einer Therapie.
Bild: Getty Images

«Brutal», «schmerzhaft», «tragisch» – frühere Radprofis verfolgen die Vorgänge um ihren ehemaligen Kollegen Jan Ullrich genau. Jens Voigt nennt ihn einen «netten Kerl» und «guten Jungen». Jörg Jaschke meint, Ullrich verdränge «grössere Probleme».

Die früheren Radprofis Jörg Jaschke und Jens Voigt wünschen ihrem Ex-Kollegen Jan Ullrich einen Ausweg aus seinen aktuellen Problemen. Ihre Ansichten, wie rasch dem ehemaligen Telekom-Fahrer das gelingen kann, gehen allerdings auseinander.

«So brutal und schmerzhaft der Knall auch gewesen ist in den letzten Tagen, das war gut für ihn. Weil, dadurch ist die Öffentlichkeit darauf aufmerksam geworden», sagte Jens Voigt am Rande der dritten Etappe der Deutschland-Tour in Merzig. «Dadurch hat er vielleicht jetzt für sich das alles realisiert und hat gedacht: 'Verdammt, ich muss mir helfen lassen – ich schaffe das nicht alleine.'» Er denke, das Ullrich «auf einem guten Weg ist», sagte Voigt. «Er ist ein netter Kerl und er ist ein guter Junge. Ich hoffe, dass es für ihn und seine Familie jetzt alles besser wird. »

Ermittlungen wegen versuchten Totschlags

Jaksche äusserte sich skeptischer über den Absturz seines früheren Telekom-Teamkollegen Ullrich. «Das ist natürlich tragisch. Was ich dabei bezeichnend finde, ist die Art, mit der Jan das zuletzt erklärt hat. Als habe er gar kein Drogenproblem, sondern spiele jetzt einfach ein bisschen Rockstar», sagte Jaksche (42) der «Süddeutschen Zeitung». Mit dieser Haltung verdränge Ullrich «ein ganz anderes, grösseres Problem», meinte Jaksche. «Zum Beispiel den Übergang von einer schillernden Sportkarriere ins richtige Leben.»

Die Frankfurter Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Ullrich (44) wegen versuchten Totschlags und gefährlicher Körperverletzung. Der Tour-de-France-Sieger von 1997 soll vor zwei Wochen in einem Frankfurter Hotel eine Escort-Dame nach einem Streit angegriffen und verletzt haben. Ullrich war deshalb vorübergehend festgenommen worden. Er äusserte sich nach Angaben der Polizei bei einer Vernehmung nicht zu den Vorwürfen. Die Ermittlungen gegen Ullrich, der sich derzeit einer Therapie unterzieht, laufen weiter.

Respekt und Hoffnung

Trotz der Vorfälle hat Jaksche weiterhin grossen Respekt vor Ullrichs Leistungen. «Jan war für uns alle der grosse Messias. Er hat den Radsport in Deutschland aus der Arbeiter-Schmuddelecke rausgeholt, in der er lange gesteckt hatte, und das grosse Geld in den Sport gebracht», sagte Jaksche. Er sprach seinem früheren Teamgefährten Mut zu: «Ich kann nur hoffen und wünschen, dass er aus dem Umfeld an Menschen, mit denen er sich gerade umgibt, irgendwie herauskommt und nach einer langen Therapie wieder heil ins Leben zurückfindet.»

Voigt meinte zur Rolle von Lance Armstrong in der Sache: «Lance hat ja selber schwere Zeiten durchgemacht und hat sich da selber wieder rausgeholt. Die zwei hatten eine Rivalität und Freundschaft und sind miteinander gewachsen und haben sich gegenseitig gepusht. Da sagt Jan nicht: ,Lass mich in Ruhe, auf dich höre ich nicht'.»

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