Das Coronavirus ist nicht das allerbeste Alibi zum Betrügen. Dies verraten die von Antidoping Schweiz veröffentlichten Zahlen.
In der Schweiz gilt: Ein Antidoping-Kontrolleur reist unverrichteter Dinge ab, sofern sich ein Athlet wegen des Coronavirus in Isolation oder Quarantäne befindet. Die Schlussfolgerung, dass sich die Sportler problemlos einer unangemeldeten Kontrolle entziehen können, stimmt allerdings nicht. Dies belegen die Zahlen. «Seit Ausbruch der Pandemie ordnete Antidoping Schweiz knapp 1200 unangemeldete Kontrollen an, bloss deren sechs wurden wegen des Coronavirus abgebrochen», sagte der Direktor Ernst König auf Nachfrage von Keystone-SDA.
Die Begründung, man habe etwas Kopfschmerzen oder Halsweh reiche nicht, um den Kontrolleur abzuwimmeln. «Es wird überprüft, ob die Isolation oder Quarantäne von einem Arzt oder von einer Behörde verordnet wurde. Zudem gilt eine abgebrochene Kontrolle als potenzieller Dopingverstoss», fügte König an. Der Sportler wird also gezielter verfolgt werden.
Weniger Tests – in Tokio neue Agentur im Einsatz
Der Jahresbericht der Stiftung Antidoping Schweiz verrät allerdings, dass die 1538 durchgeführten Dopingkontrollen im Jahr 2020 rund einen Viertel unter Wert des Vorjahres liegen. «Der Einbruch lässt sich im Wesentlich mit den fehlenden Wettkampfkontrollen erklären», betonte König. Bei den unangemeldeten Tests habe man nur wenige Einschränkungen machen müssen. Einzig während der ersten Welle, als noch viele Unsicherheiten im Umgang mit dem Coronavirus bestanden hätten, sei mit dem Lockdown für ein paar Wochen die Grundkontrolle weggefallen. Aber man habe das System rasch wieder hochgefahren. «Die Athleten mussten immer davon ausgehen, dass sie kontrolliert werden.»
Mit Blick auf die Olympischen Spiele in Tokio bleibt aber der Verdacht haften, dass die Pandemie das internationale Ungleichgewicht in der Dopingbekämpfung noch verstärkt hat. Denn bei einem harten Lockdown müssen auch die Kontrolleure zuhause bleiben. Ulrich Kurmann, der Nachfolger von Ex-Präsidentin Corinne Schmidhauser, stellt diese Befürchtungen nicht in Abrede, gibt aber gleichwohl Gegensteuer: «Weltweit wurde weniger getestet, aber die Zahl der Kontrollen ist immer noch hoch. Zudem steht für Tokio erstmals die International Testing Agency im Einsatz.»
Die ITA ist eine Stiftung, die als Dienstleister für Sportverbände oder Organisatoren Antidoping-Programme durchführt. Immer mehr internationale Sportverbände oder Grossveranstalter delegieren diese Aufgaben an die Experten der 2018 gegründeten ITA.
Kurmann sieht in der Dopingbekämpfung primär in den Bereichen Prävention und Ermittlung Potenzial. Aus diesem Grund strich der Jurist und Kanusportler auch die Fortschritte in der Entwicklung der Ermittlungsabteilung hervor. Die Zusammenarbeit mit den diversen Strafverfolgungsbehörden wurde intensiviert. So konnte Antidoping Schweiz gemäss Kurmann diverse Ermittlungen internationalen Ausmasses anstossen und massgeblich daran mitwirken. Die Grundlage für solche Ermittlungen bilden oftmals die Verdachtsmeldungen durch Whistleblower.
Resultate der Langzeitproben ermutigen
Im vergangenen Jahr gab Antidoping Schweiz 109 Nachanalysen in 87 Urin- und Blutproben aus den Jahren 2012 bis 2016 in Auftrag. Die Proben wurden nicht zufällig ausgewählt, sondern aufgrund von internationalen Vorfällen in einigen Sportarten, wegen der Fortschritte in der Analysetechnik oder wegen neuen Erkenntnissen über verbotene Substanzen nochmals unter die Lupe genommen. Das ermutigende Resultat: Alle Proben blieben auch nach neuestem Wissenstand negativ.