Der aufstrebende Bryan Balsiger etablierte sich hinter Steve Guerdat und Martin Fuchs als Nummer 3 der Schweizer Springreiter-Equipe. Diese Position gerät (vorübergehend) in Gefahr.
Innert knapp einem Jahr erlebte jeder der drei in der Weltrangliste bestklassierten Schweizer ein Drama, bei allen ging das Spitzenpferd verloren: Guerdats Stute Bianca verstarb vergangenen Juni an einem Hirntumor, Fuchs' Schimmel Clooney verletzte sich nach den Olympischen Sommerspielen in Tokio schwer und Balsigers Twentytwo des Biches musste nach einem Sturz im März in die Klinik gebracht werden – an eine Rückkehr in den Spitzensport ist wie bei Clooney nicht mehr zu denken.
Während Guerdat und Fuchs im Beritt seit Jahren breit aufgestellt sind und zeitweise sogar die Qual der Wahl haben, zeichnet sich bei Balsiger eine Baisse ab. Er muss auf noch unerfahrene Pferde setzen, denn die langjährigen Begleiter Clouzot de Lassus oder Courage haben den Zenit überschritten.
Hoffnungen ruhen auf Dubai
Dubai, so heisst der Name des Vierbeiners, der in dieser Saison dem Neuenburger den Platz in der Schweizer Equipe sichern soll. Der 13-jährige Wallach muss allerdings noch eine Schippe zulegen, um auch in den grossen Prüfungen zu reüssieren. Anfang Mai beim Nationenpreis in La Baule gelangen dem Paar immerhin zwei Durchgänge mit nur je einem Abwurf.
«Dubai muss liefern, damit ich top bleibe. Ich vertraue ihm», gibt Balsiger zu. «Er hat viel Blut und ist schnell.» Will heissen: Dubai ist ein sehr kämpferisches und emotionales Pferd, muss aber im Parcours noch ruhiger werden.
Er sei durch den Ausfall von Twentytwo des Biches unerwartet in eine Zwischenphase bezüglich Beritt geraten, sagt der bald 25-jährige Balsiger. Er habe gute, junge Pferde im Stall und auch die Sponsoren würden ihm die Stange halten. «Es wird die Zeit kommen, in der ich wieder breit aufgestellt bin», betont er. Als professioneller Springreiter denke er immer ein paar Jahre in die Zukunft.
Konkurrenz ist da
Der Olympiateilnehmer und Team-Europameister 2021 muss wohl mehr um seinen Platz in der Equipe kämpfen, als ihm lieb ist. Denn der Routinier Pius Schwizer verfügt mit Vancouver wieder über einen Vierbeiner mit Weltklasse-Niveau und auch der erst 22-jährige Edouard Schmitz mit Quno drängt nach.
Der Equipenchef Michel Sorg bot für den Nationenpreis in St. Gallen mit Fuchs, Guerdat, Balsiger, Schwizer und Schmitz die fünf in der Weltrangliste am besten klassierten Schweizer auf. Somit dürfte mit Blick auf eine WM-Nomination eine erste wichtige Standortbestimmung erfolgen.
Kampf um Olympia-Tickets
Die Titelkämpfe finden im August in Herning in Dänemark statt. Neben den Medaillen im Einzel und mit dem Team werden für die Equipen auch die ersten Olympia-Tickets für Paris 2024 vergeben. Frankreich ist gesetzt, fünf weitere Mannschaften können nach Herning den Stress der Qualifikation abhaken. Ein weiterer Platz wird am Nationenpreis-Final Ende Saison vergeben. Im Jahr 2023 können drei weitere Plätze an den Europameisterschaften in Mailand gelöst werden und schliesslich bleibt noch ein Ticket beim Nationenpreis-Final 2023 übrig.
«Die WM-Teilnahme ist noch nicht selbstverständlich», betont Balsiger. Der Neuenburger will den Konkurrenzkampf allerdings nicht als Kampf hervorstreichen, sondern lobt vielmehr den Zusammenhalt in der Schweizer Equipe. Gerade die Dramen um die drei Pferde hätte dies einmal mehr verdeutlicht.
«Wir haben nicht nur tolle Reiter, sondern auch tolle Menschen. Der Teamgeist ist enorm», sagt Sorg. «Und wir haben zwei Teamleader – zu Pferd und zu Fuss.» Balsiger, der aus einer Reiterfamilie stammt und auch schon zu Ausbildungszwecken im Stall von Fuchs weilte, konnte als Erster der jungen Garde richtig vom Duo Guerdat/Fuchs profitieren. Auch wenn der Nummer-3-Status in dieser Saison in Gefahr ist, traut ihm Sorg viel zu. «Bryans Potenzial ist riesig, vor allem auch, weil er die Füsse auf dem Boden hat. Ich traue ihm zu, 25 Jahre in unserer Equipe zu sein.»