Clint Capela hat bei den Houston Rockets grossen Anteil am derzeitigen Erfolg. Der Genfer Center hat sich enorm weiterentwickelt und dürfte bald der bestbezahlte Schweizer Mannschaftssportler sein.
Manchmal werden in den sozialen Medien abenteuerliche Debatten geführt. James Harden, Chris Paul und Clint Capela seien besser als Michael Jordan, Scottie Pippen und Dennis Rodman, behaupteten kürzlich ein paar User auf Twitter. Hier drei Spieler, die momentan in der NBA für Aufsehen sorgen, die Liga mit den Houston Rockets souverän anführen, in ihren Karrieren aber noch nie eine Meisterschaft gewonnen haben, da das «Magic Trio», das die Chicago Bulls zwischen 1996 und 1998 dreimal hintereinander zu Titelehren führte und längst in die Ruhmeshalle der Liga aufgenommen wurde.
So gewagt die Behauptung wirkt, so zeigt sie doch einiges: dass der Glaube an den ersten Titel seit 1995 im Umfeld der Texaner so gross ist wie selten, dass sich anfängliche Zweifel, ob die beiden dominierenden Spielmacher Harden und Paul nebeneinander agieren können, längst verflüchtigt haben. Und dass aus Capela, dem schmächtigen Jungen aus dem Genfer Arbeiterviertel, der lange Zeit viel lieber Fussball spielte und es erst als 14-Jähriger erstmals mit Basketball versuchte, nicht nur ein etablierter NBA-Profi geworden ist, sondern einer, dem sie in den USA Grosses zutrauen.
Capelas Selbstvertrauen
Die Rockets bestreiten gerade die erfolgreichste Saison ihrer 51-jährigen Vereinsgeschichte. 65 Siegen in der laufenden Spielzeit stehen 16 Niederlagen gegenüber. In Houston hat sich eine Mentalität des Siegens eingenistet. Von Ende Januar bis Mitte März blieben die Rockets während 17 Partien ungeschlagen und festigten nach und nach die Spitzenposition.
«Clint hat grossen Anteil an unserem Erfolg», sagt Mike D’Antoni. «Ich weiss nicht, ob wir ohne ihn auch nur halb so viele Siege hätten.» Der Coach lobt die Energie des 23-Jährigen, seine harten, gut gesetzten Blöcke und, in dieser Hinsicht hat sich der Genfer in den letzten Monaten am meisten gesteigert, seine Verteidigungsarbeit, in der er es auch nicht scheut, kleinere, flinkere Spieler zu decken. Capela wurde auch schon mit Klublegende Hakeem Olajuwon verglichen, dessen Nummer 34 längst unter dem Hallendach hängt. Capela strotz derzeit vor Selbstvertrauen, das bisweilen auch schon als arrogant ausgelegt wurde. Dann nämlich, als er sich nach dem Sieg gegen die Golden State Warriors im Januar zur Aussage hinreissen liess, die Rockets seien stärker als der haushohe Titelfavorit, der momentan mit Verletzungssorgen zu kämpfen hat.
D’Antonis Huldigung
Das Magazin «The Ringer» bezeichnet Capela als «unbesungenen Helden» der Rockets-Offensive. Auf ihn sind die Augen selten gerichtet. Er ist nicht der, der sich durch eine spektakuläre Einzelaktion an den Verteidigern vorbeimogeln kann, oder der, der den Ball selbst mit der Hand des Verteidigers im Gesicht aus grosser Distanz im Korb versenken kann. Das ist die Aufgabe von Harden und Paul, aber auch allen anderen exzellenten Distanzschützen, welche die Rockets in ihrer Equipe vereinen. Mit seiner Präsenz unter dem Korb schafft Capela jedoch Platz für seine Teamkollegen, und wenn ihn sein Verteidiger ausser Acht lässt, ist er bereit und hämmert den Ball mit einem wuchtigen Dunk durch den Ring. «Clint gibt unserem Spiel eine weitere Dimension», sagt D’Antoni. «Fehlt er, ist das Puzzle nicht vollständig.»
Auf die Frage, ob er drei Center nennen könne, die besser seien als Capela, findet der 66-Jährige keine Antwort. Stattdessen setzt er zur Huldigung an und sagt: «Ich wäre sehr überrascht, ja, geschockt, wenn Clint nicht mal der beste Center der Liga wird.»
Moreys Signal
Bezüglich Salär ist Capela auf dieser Position lediglich die Nummer 54. Zahlreiche Spieler, die auf dem Parkett weniger Einfluss nehmen können und über deutlich weniger Entwicklungspotenzial verfügen, sind derzeit besser bezahlt als Capela, der mit seinem Einstiegsvertrag aktuell 2,3 Millionen Dollar pro Jahr verdient. Aktuell verdienen 295 Spieler in der Liga mehr als er. Im Sommer dürfte für den Genfer allerdings der grosse Zahltag kommen, wenn er zum «Restricted Free Agent» wird, ihm andere Teams also Angebote unterbreiten können. Rockets-GM Daryl Morey hat signalisiert, dass er seinen Center unbedingt halten möchte.
Gut möglich, dass Capela mit gut 25 Millionen Dollar Jahressalär zum mit Abstand bestbezahlten Schweizer Mannschaftssportler aufsteigt. Doch Geld ist in der aktuellen Situation zweitrangig. Für Capela zählt das Gesamtbild: «Für eines der besten Teams der NBA zu spielen, in diesem Team eine wichtige Rolle einzunehmen – das hätte ich mir nie vorzustellen gewagt. Das ist mehr als ein wahr gewordener Traum.»
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