Kunstturnen Den Sprung aufs EM-Podest im Hinterkopf

sfy, sda

24.4.2024 - 05:00

Luca Giubellini ist einer von vier Schweizer EM-Turnern aus der letztjährigen WM-Mannschaft.
Luca Giubellini ist einer von vier Schweizer EM-Turnern aus der letztjährigen WM-Mannschaft.
Bild: Keystone

Die Schweizer Kunstturner verfügen über ein starkes Team. Dementsprechend gross sind die Ambitionen an den am Mittwoch beginnenden Europameisterschaften in Rimini.

Keystone-SDA, sfy, sda

Mit dem 5. Platz im Teamfinal schafften die Schweizer Männer im vergangenen Oktober in Antwerpen die beste WM-Klassierung seit dem Gewinn von Bronze 1954. Sie qualifizierten sich als Mannschaft zum dritten Mal in Folge für die Olympischen Spiele, die in Paris stattfinden und am 26. Juli eröffnet werden. Diese überstrahlen in diesem Jahr alles, die EM ist sozusagen ein Vorbereitungswettkampf.

Deshalb wollen die Trainer möglichst schwierige Übungen sehen, um Anhaltspunkte zu erhalten, wie diese unter Druck funktionieren. Je nachdem werden im Hinblick auf Paris noch Anpassungen vorgenommen. «Es ist dennoch eine EM», betont Trainer Claudio Capelli im Gespräch mit der Nachrichtenagentur Keystone-SDA. In Rimini hätten sie mehr Chancen, Finals zu erreichen. Im Team-Wettbewerb ist das Erreichen der Top 8 Pflicht, zudem werden drei Gerätefinals und ein Podestplatz angestrebt.

Zwei Neulinge

Mit Christian Baumann, Noe Seifert, Taha Serhani und Luca Giubellini sind vier Turner aus der letztjährigen WM-Mannschaft auch in Italien dabei. Matteo Giubellini, der zum ersten Mal an einem Elite-Grossanlass teilnimmt, komplettiert das Quintett im Teamwettbewerb. Der 19-Jährige überzeugte im ersten von zwei Selektionswettkämpfen mit 83,800 Punkten, einem Wert, den kein anderer erreichte. Er ist jemand, der aufgrund seiner schönen Haltung sehr wenig Abzüge erhält und in Rimini wie Baumann alle sechs Geräte turnen wird.

Der 21-jährige Luca Murabito bestreitet ebenfalls seine erste EM, er wird allerdings nur an einzelnen Geräten starten. Dass zwei «Neue» berücksichtigt werden konnten, unterstreicht die aktuelle Breite bei den Schweizer Kunstturnern. «Das macht es interessant», sagt Capelli. Baumann ergänzt: «Es ist fast etwas ein Luxusproblem, das wir haben. Es ist bei den Qualifikationen jedes Mal eine knappe Sache. Man weiss nie, ob man dabei ist oder nicht.»

Medaille im Hinterkopf

Baumann ist mit 29 Jahren der Routinier in der Schweizer Equipe, startet zum sechsten Mal an Europameisterschaften. Er war auch 2016 dabei, als die Schweizer mit Bronze zum letzten Mal eine Team-Medaille holten. Insgesamt schaffte er viermal den Sprung aufs EM-Podest, zweimal an seinem Spezialgerät Barren, an dem ein Element nach ihm benannt ist.

Baumann, der seine dritte Olympia-Teilnahme anstrebt, setzt sich keine Rangziele. «Ich möchte einfach mein Bestes geben, und dann sehe ich, was dabei rauskommt.» Er gibt aber zu, dass alle eine Team-Medaille im Hinterkopf hätten. Seine Form bezeichnet er als «ziemlich gut». Am Barren und Reck erhöhte er den Schwierigkeitsgrad.

Noe Seifert setzte an der WM in Antwerpen mit dem 8. Rang im Mehrkampf-Final ein Ausrufezeichen, obwohl ihm Rückenprobleme zu schaffen machten. Diese zwangen ihn, während drei Monaten vor allem Physiotherapie zu machen. «Ich merke es schon noch etwas, im Kunstturnen ist man aber ohnehin nie voll gesund, zwickt immer irgendetwas», erzählt der 25-jährige Aargauer.

Zwar trainiert Seifert mittlerweile wieder alle sechs Geräte, am Boden und Sprung wird er in Rimini allerdings nicht antreten. Dass er sich eine Zeit lang auf vier Geräte konzentrieren musste, dem gewinnt er auch Positives ab – am Pferd und Reck kann er nun schwierigere Übungen turnen. Er will an der EM volles Risiko nehmen, um zu zeigen, zu was er fähig ist, und er hat sich zwei Gerätefinals zum Ziel gesetzt.

Langenegger von Verletzung gebremst

Was ist mit Florian Langenegger, dem letztjährigen EM-7. und WM-14. im Mehrkampf? Der 21-jährige Aargauer blieb in der internen Qualifikationen nach einer Fingerverletzung unter seinen Möglichkeiten. «Er hat uns 2023 gezeigt, was er draufhat, von daher ist es für ihn nicht so schlimm, mal eine EM auszulassen», sagt Capelli.

Benjamin Gischard, der wie Baumann an den Olympischen Spielen 2016 in Rio de Janeiro und 2021 in Tokio zu den Selektionierten gehört hat, ist nach einer im vergangenen September erlittenen schweren Knieverletzung gut durch die Reha gekommen. Er fängt an zu springen. Capelli: «Es sieht sehr gut aus, wird (für Paris) dennoch knapp.»