Direktor der Tour de Suisse Olivier Senn: «Der Drive im Schweizer Radsport ist spürbar»

voe, sda

13.6.2022 - 13:07

Olivier Senn in Aktion bei seiner Tour de Suisse.
Olivier Senn in Aktion bei seiner Tour de Suisse.
Bild: Keystone

Olivier Senn, Direktor der Tour de Suisse, gehört zu den Schlüsselpersonen im Schweizer Radsport. Er ist zusammen mit Joko Vogel Co-Geschäftsführer der Firma Cycling Unlimited AG, der Trägerschaft der Schweizer Landesrundfahrt.

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Senn, früher selber Elite-Amateur-Fahrer, bestimmt – mit einem kurzen Unterbruch – seit fast einem Jahrzehnt als Direktor die Geschicke der Tour de Suisse. Zudem ist der Aargauer Inhaber der Beratungsfirma ProTouchGlobal und betreut als Manager zahlreiche Schweizer Radprofis wie Stefan Küng, Stefan Bissegger und Mauro Schmid.

Olivier Senn, die 85. Tour de Suisse hat auf der Forch oberhalb von Küsnacht ihren Auftakt genommen. Es war eine grosse Begeisterung zu spüren, tausende Zuschauer säumten den Streckenrand. War das ein Vorgeschmack auf die WM 2024?

Bezüglich Fans hoffe ich natürlich, dass auch in gut zwei Jahren an der Strassen-WM sehr, sehr viele zu den Rennen kommen werden.

Wird vielleicht auch die attraktive Route mit Pfannenstiel und Forch wieder befahren werden?

Zur WM-Strecke gibt es momentan noch nichts zu sagen. Aber es ist natürlich so, dass wir die Weltmeisterschaften in der Region Zürich durchführen. Da kann es also schon sein, dass wir die eine oder andere Strasse jetzt schon befahren haben. Die WM, ein auch international gesehen sehr grosser Event, wird in den nächsten zwei Jahren sicherlich Teil der Tour-de-Suisse-Geschichte sein.

Anderes Thema: Anfang Mai wurde bekannt, dass sich mit der Tour de Suisse und Tour de Romandie die zwei grossen Rundfahrten der Schweiz annähern, Synergien sollen genutzt werden. Wie weit gehen die Bestrebungen?

Also eine Fusion ist kein Thema. Die Pandemie hat uns Organisatoren aber doch etwas die Limiten aufgezeigt. Ebenso, dass wir mit den gleichen Herausforderungen zu kämpfen haben. Wir in der Schweiz sind einfach zu klein, als dass jeder selber für sich wursteln kann und die gleichen Probleme individuell lösen will.

Die Schweiz war auch schon vor der Pandemie klein, auch bestanden viele Herausforderungen schon vor Jahren. Weshalb kam die Annäherung erst jetzt?

Richard (Chassot, der langjährige Direktor der Tour de Romandie – Red.) und ich kennen uns sehr lange, wir sind schon als 15-Jährige gegeneinander Rennen gefahren. In der Vergangenheit gab es auf politischer Ebene gewisse Differenzen. Doch nun haben wir uns zusammen an einen Tisch gesetzt und darüber gesprochen, wie wir miteinander die bestehenden Herausforderungen angreifen können.

Um welche Themen geht es?

Um die Produktion, Logistik, Kommunikation, ebenfalls um die Vermarktung. Wir wollen zusammen versuchen, den Schweizer Radsport zu entwickeln und voranzubringen. Natürlich ist es auch das Ziel, dass wir für unsere Veranstaltungen finanzielle Sicherheiten generieren können.

Indem Sponsoren übergreifend ihre diversen Plattformen nutzen können?

Ja. Unser Problem ist, dass wir beide einen Event haben, der sieben oder zehn Tage im Jahr dauert, doch während des restlichen Jahres dann eben nicht stattfindet. So aber gibt es die Tour de Romandie Ende April, im Juni dann die Tour de Suisse der Männer und der Frauen sowie im Oktober die Tour de Romandie Féminin. Zwischen diesen Hauptrennen haben wir noch einige weitere, kleinere Events, an welchen wir beteiligt sind. So ergibt sich die Möglichkeit, den Sponsoren eine viel längere Sichtbarkeit anzubieten.

Ende April gab Doppel-Olympiasieger Fabian Cancellara bekannt, dass das Tudor Pro Cycling Team ab 2023 in die zweithöchsten Kategorie aufsteigen wird. Wie sehr hat Sie diese Nachricht gefreut?

Die WM 2024, die Zusammenarbeit der wichtigsten Organisatoren inklusive Swiss Cycling, Tudor – im Moment ist bei ganz verschiedenen Akteuren im Schweizer Radsport der Drive spürbar. Es herrscht eine gewisse Aufbruchstimmung nach Corona. Zu Tudor: Es ist sehr wichtig für den Schweizer Radsport, dass es ein Team gibt, das auf der international zweithöchsten – oder später einmal vielleicht sogar höchsten – Stufe angesiedelt ist. Ich finde es echt cool, dass die Teamführung diesen Schritt nach vorne macht und sie Partner gefunden hat, die sie unterstützen. Tudor wird für den gesamten Schweizer Radsport und auch für die Tour de Suisse eine Bereicherung.

Was erhoffen Sie sich konkret?

Dass mehr Schweizer Fahrer ins System kommen. Natürlich könnte es sein, dass durch das neue Team die Schweizer Nationalmannschaft nicht mehr an der Tour de Suisse und der Tour de Romandie teilnehmen kann, weil es vom Weltverband die Ausnahmebewilligung nicht mehr gibt. Diese basiert darauf, dass die Schweiz kein Team auf den obersten zwei Stufen stellt. Deshalb werden in den kommenden Monaten Gespräche mit der UCI stattfinden. Unser Interesse wäre natürlich, dass wir neben Tudor trotzdem auch das Nationalteam am Start hätten.