Matthew Fitzpatrick hat das Golfen in England gelernt. In Europa hat er es zu einem ausserordentlich guten Profi gebracht. Aber den Ruhm und das Geld erntet der frische US-Open-Sieger in den USA.
In der Saisonstatistik 2022 der Europa-Tour, die neuerdings World Tour heisst, ist Matthew Fitzpatrick mit vier Turnierstarts aufgeführt. Aber dies ist irreführend. Denn diese vier auch in den Wertungen der Europa-Tour berücksichtigten Turniere bestritt der junge Mann nicht in Europa, sondern in Übersee. Es sind drei bisherige Majorturniere (US Masters, US PGA Championship, seit dem Wochenende das US Open), dazu ein Turnier der ebenfalls in Amerika beheimateten, hochdotierten World-Golf-Championship-Serie WGC. Visiten bei Eltern und Grosseltern in Sheffield nicht eingerechnet, war Fitzpatrick heuer nie in Europa.
Vor ein paar Jahren war dies noch anders. Als er 2017 und 2018 das Omega European Masters in Crans-Montana gewann – als erster «Doppelsieger» in der Schweiz nach Severiano Ballesteros 40 Jahre vorher -, spielte Fitzpatrick noch 23 respektive 22 Turniere des europäischen Circuits. Dies sind nahezu volle Pensen. Fitzpatrick war als damals noch treuer Europäer ein Aushängeschild der Tour, die schon immer der US PGA hinterherhinken musste.
Aus Matthew wurde Matt
Die Sirenen in Übersee sangen schliesslich auch für Matthew Fitzpatrick zu verlockend. Und so ist er, der in den amerikanischen Ranglisten als «Matt» Fitzpatrick geführt wird, heute einer von vielen Abtrünnigen. Von Golfprofis, die das Metier in Europa gelernt haben und es in den USA praktizieren.
Die bekanntesten Fahnenflüchtigen sind der Nordire Rory McIlroy, Zweiter der Weltrangliste und vierfacher Sieger von Turnieren auf Grand-Slam-Stufe, und der Spanier Sergio Garcia, der seit dem Sieg am US Masters 2017 vergeblich auf einen weiteren Coup wartet. Auch die Engländer Justin Rose und Danny Willett, beides ebenfalls Sieger von grossen Turnieren, spielen heute kaum noch in Europa. Ebenso der Schwede Alexander Noren, der zweimal in Crans-Montana gewonnen hatte.
Das liebe Geld
Der Grund für einen Umzug nach Übersee ist in allen Fällen das Geld, das Preisgeld. Selbst sportliche wenig wichtige Turniere sind in den USA im Durchschnitt mit rund acht Millionen Dollar dotiert. Auf der Europa-Tour dagegen werden im Normalfall etwa zwei Millionen Euro ausgeschüttet, so auch in Crans-Montana. Das Vierfache zu verdienen ist ein Anreiz.
Aber es gibt derzeit auch noch den Streit zwischen der US PGA Tour und einer neuen, mit wahnwitzigen Summen aus Saudi-Arabien alimentierten Tour. Spieler, die auf der neuen Tour spielen, bleiben von den regulären Turnieren der US PGA ausgeschlossen. Von den bekanntesten Golfern sind Phil Mickelson, Dustin Johnson und Sergio Garcia betroffen.
Der Jahreskalender der Saudis umfasst jedoch nur acht Turniere. Was werden die Stars zwischen den Turnieren tun? Sie könnten, um sich in Form zu halten, auf der zweitgrössten Tour spielen, auf der europäischen. Für einen Viertel des Preisgeldes, das sie in den USA bekämen. Wird man Dustin Johnson schon bald auf dem Walliser Hochplateau begrüssen können?