Vize-Weltmeister Jérémy Desplanches musste lange warten. Seit März trainierte er in einem kleinen privaten Pool. Bevor er am 20. Mai endlich wieder in ein Olympiabecken springen konnte, fühlte er sich wie «ein Kind vor dem Aquarium».
«Zwischen Umkleidekabine und Pool blieb ich stehen, meine Hände und mein Gesicht klebten am grossen Fenster. Ich habe mir das Becken angesehen und fand es schlicht zu schön. Ich wollte sofort eintauchen», erklärt der WM-Zweitklassierte von 2019 über 200 Meter Lagen. Er habe so vieles während des Lockdowns vermisst, sagt Desplanches: «Sogar den Duft des Chlorwassers. Ich liebe einfach alles am Schwimmen.»
Dabei sind die Hygienevorschriften strikt: Nur ein Schwimmer pro Bahn. Überall stehen Desinfektionsmittelspender. Und jeden Abend wird der ganze Pool desinfiziert. Es sei verständlich, dass solche Vorsichtsmassnahmen getroffen werden müssten, erklärt der Genfer im Telefon-Interview mit den Redaktionskollegen der Sportagentur ATS in der Romandie. «Aber es ist seltsam, da wir kaum miteinander kommunizieren können, weil wir so viel Distanz haben müssen.»
«Die Gefahr einer zweiten Welle ist da»
Desplanches hadert aber nicht mit den Entscheidungen und Massnahmen der Behörden: «Es gab in den letzten Wochen wirklich viel Wichtigeres als Schwimmen.» Er sei glücklich, seinen Sport und damit sein Leben wieder aufnehmen zu können, erklärt der Medaillenaspirant an den Sommerspielen, die nicht 2020, sondern voraussichtlich 2021 in Tokio stattfinden werden. Viele seiner Mitstreiter in anderen Ländern hätten diese Möglichkeiten noch nicht.
Wie es mit dem Wettkampfgeschehen in diesem Jahr weitergehen wird, weiss der 25-Jährige nicht. «Die Situation ist diffus und die Gefahr einer zweiten Welle ist da. Ende Dezember würden die nationalen Meisterschaften in Frankreich stattfinden. Aber ich weiss wirklich nicht, ob wir 2020 noch Wettkämpfe bestreiten werden», meint Desplanches.
Nur die Olympia-Medaille zählt
Der Romand, der seit 2014 in Nizza trainiert, sieht eine weitere Gefahr in diesem Jahr vor allen Dingen in fehlenden Anreizen. «Ich habe Angst davor, mich zu langweilen. Ohne einen Höhepunkt, auf den ich mich vorbereiten kann, ist die Gefahr gross, in Routinen zu verfallen. Man muss sich selbst enorm pushen und wir müssen sicherstellen, dass wir den Spass am Training nicht verlieren», so Desplanches.
Mit den Europameisterschaften 2021 bleibt Desplanches mutmasslich nur ein grosser Wettkampf auf dem Weg in Richtung Tokio. In den nächsten Monaten werde sicher das Krafttraining den Alltag dominieren. Es gehe darum, an den Schwachstellen zu arbeiten.
Der 1.92-Meter grosse Modellathlet ordnet der Olympischen Medaille alles unter. Sie bleibt das grösste Ziel in seiner Karriere. Dabei spiele es keine Rolle, welche Zeit er letztlich schwimme. «Es bringt mir nichts, wenn ich den Schweizer Rekord um drei Sekunden verbessere und ich nur Achter werde. Was ich will, ist eine Medaille.» An der WM in Gwangju im vergangenen Jahr legte der Genfer die Strecke in seiner Paradedisziplin über 200 Meter Lagen in 1:56:56 Minuten zurück. Mit dieser Zeit dürfte er an Olympia bestimmt schon nahe ans Podium kommen.