Die spezielle Rad-Saison 2020 geht – neben der ganzen Problematik um das Coronavirus – auch als Jahr in die Annalen ein, in dem eine neue Fahrer-Generation das Zepter übernahm.
In vielen Sportarten fiel die Saison wegen des Coronavirus ins Wasser. Nicht so im Radsport, der seine Saison im Frühling zwar unterbrach, am 1. August aber wieder aufnahm und mit Ausnahme von Paris-Roubaix alle grossen Veranstaltungen durchführen konnte. Eng getaktet zwar und unter speziellen Bedingungen, aber der verwegene Plan funktionierte – wider Erwarten. Der grösste wirtschaftliche Schaden für die Profiteams konnte abgewendet werden.
Gerade an der Vuelta, dem letzten Rennen des Jahres, mutete die Szenerie manchmal bizarr an. In fast keinem anderen Land in Europa wütete das Coronavirus nach absoluten Zahlen derart stark. Und während die Behörden Restaurants schlossen, Ausgangssperren verhängten und ganze Gebiete absperrten, tourte der gegen 6000 Personen umfassende Vuelta-Tross durchs Land.
Obwohl die Radrennfahrer und ihre Begleiter in ihrer Blase abgeschirmt und offiziell keine Zuschauer zugelassen waren, vielerorts stiess die Durchführung der Vuelta auf Unmut. Zumindest Vuelta-Sieger Primoz Roglic zeigte sich verständnisvoll: «Bei dem Zustand, in der die Welt ist, können wir glücklich sein, dass wir Rennen fahren durften.»
Der Beste fiel gar noch aus
Aus sportlicher Sicht akzentuierte sich die Tendenz aus dem Vorjahr, dass die Topfahrer immer jünger werden. Tadej Pogacar gewann seine erste Tour de France mit 21, Egan Bernal im Jahr zuvor war nur ein paar Monate älter. Wout van Aert (26) und Mathieu van der Poel (25) fuhren an den Klassikern wie alte Routiniers. Und der wohl stärkste Newcomer, das «Wunderkind» Remco Evenepoel (20), verpasste nach einem schweren Sturz den Grossteil der verkürzten Saison, nachdem er zuvor vier kleinere Rundfahrten bei ebenso vielen Starts gewonnen hatte.
«Die Jungen haben übernommen», musste der Italiener Vincenzo Nibali (35) eingestehen, als ihm am Giro die Jungen um den späteren Gesamtsieger Tao Geoghegan Hart (25), Jai Hindley (24) und Joao Almeida (22) davon fuhren und er als Siebter erstmals seit zehn Jahren bei einem Giro-Start nicht auf dem Podest stand.
Nibali hätte noch mehr klagen können. Denn nicht nur die Routiniers hatten immer öfters das Nachsehen, sondern auch die Fahrer aus den traditionellen Radsport-Ländern. So stand erstmals überhaupt in der Geschichte des Radsports kein Fahrer aus Frankreich, Italien und Spanien auf dem Podium einer der drei grossen Rundfahrten.
Bessere Ausbildung als früher
Auch bei den Schweizern überzeugten die Jungen. Der Berner Marc Hirschi (22) schaffte den Durchbruch in die Weltspitze, mit dem gleichaltrigen Stefan Bissegger debütierte die nächste grosse Hoffnung mit einem 3. Rang im ersten World-Tour-Einsatz und zum Abschluss der Saison glänzte am Samstag der ebenfalls hoch gehandelte, aber für nächstes Jahr noch vertragslose Gino Mäder (23) mit einem 2. Rang in der letzten Vuelta-Bergetappe.
«Im Vergleich zu früher ist die Ausbildung der Fahrer ganz anders. Es gibt viele Nachwuchsteams mit sehr guten Programmen und auch viel mehr Sportausbildungen als zuvor», begründete Hirschi die Erfolge seiner Generation. Zudem dürfte die komprimierte Saison mit deutlich weniger Erholungszeit zwischen den Rennen den Jungen auch entgegen gekommen sein.
Unsicherheit auch 2021
Das Beispiel Mäder zeigt auch die aktuellen Probleme des Radsports auf. Sein Team NTT steht vor dem Aus, noch immer fanden die Verantwortlichen keinen Geldgeber für 2021. Entsprechend steht Mäder wie sehr viele andere noch ohne Vertrag da. Und die Aussichten sind wegen Corona-Krise nicht sonderlich gut.
Auch im kommenden Jahr müssen Rennen unter Pandemie-Bedingungen durchgeführt werden und die Mannschaften wohl auf wertvolle Einnahmen verzichten. Die Tour Down Under und das Great Ocean Race, die traditionell ersten Rennen im World-Tour-Kalender, wurden bereits ersatzlos gestrichen.