Sie sind die einzigen Football-Spieler, die dem Namen entsprechend mit dem Fuss zu Werke gehen: die Kicker. Im Rampenlicht stehen sie aber meist nur, wenn sie versagen.
Drei Sekunden zeigt die Spieluhr im eisig kalten Arrowhead Stadium in Kansas City noch an. 20:20 lautet der Spielstand, als Harrison Butker anläuft und das Ei aus 45 Yards (gut 41 Meter) zwischen die zwei Torstangen zirkelt. Dank seines erfolgreichen Kicks ziehen die Kansas City Chiefs in die Super Bowl ein, in der sie am Sonntag auf die Philadelphia Eagles treffen.
Nach dem Spiel spricht kaum einer von Butker. Die Helden und Bösewichte sind andere. Doch wehe, er hätte seinen Kick verhauen, dann wäre ihm die unliebsame Aufmerksamkeit sicher gewesen.
Filigrantechniker unter Kriegern
Die Kicker sind die Aussenseiter in einer Football-Mannschaft, Sie trainieren kaum je mit dem Rest des Teams, da sie nicht in die Spielzüge involviert sind. Sie haben nur einen Auftrag: den Extrapunkt nach einem Touchdown zu kicken und Field Goals zu erzielen. Im vielleicht physisch härtesten Teamsport sind die Kicker die Spieler, die kaum je Körperkontakt haben. Für viele gelten sie denn auch nicht als echte Football-Spieler.
Da passt es, dass viele auch tatsächlich vom Fussball kommen. Butker war mit seiner Highschool in Atlanta dreimal Staatsmeister von Georgia. Und auf keiner anderen Position ist der Anteil im Ausland geborener Spieler annähernd so gross. In der Geschichte der NFL sind die 40 (!) besten Punktesammler allesamt Kicker, in die Hall of Fame (sie zählt immerhin 362 Mitglieder) schafften es bisher aber gerade deren zwei: der Däne Morten Andersen (1982 bis 2007 aktiv) und der Norweger Jan Stenerud (1967 bis 1985). Von Adam Vinatieri, der zwei Super Bowls entschied und als bester Kicker der Geschichte gilt, wird erwartet, dass er 2024 zum erstmöglichen Zeitpunkt (fünf Jahre nach dem Rücktritt) in die Hall of Fame aufgenommen wird.
Die «gelernten» Fussballer revolutionierten das Kicken, indem sie den Ball mit der Innenfläche des Fusses treffen. Bis in die 1960er-Jahre wurde der Ball mit der Spitze des Fusses gekickt, also als eine «Spitzguuge».
Vier verschossene «Penaltys»
Entscheidend für einen Kicker ist aber, dass er auch unter grösstem Druck seine Leistung bringt. Geht das Vertrauen einmal verloren, droht ein Albtraum, wie ihn Brett Maher von den Dallas Cowboys Mitte Januar erlebte. Er vermasselte in der ersten Runde der Playoffs vier von fünf Extrapunkten – aus einer Distanz von gut 22 Metern eigentlich einfacher zu versenken als ein Elfmeter. In der Regular Season hatte er sein Ziel nur in einem von 53 Versuchen verfehlt. Da war ihm die Aufmerksamkeit für einmal gewiss.
Harrison Butker wird nicht der Star der Super Bowl sein, aber vielleicht dennoch entscheidend. Er gehört in der sechsten Saison zu den Zuverlässigsten seiner Branche und gewann 2020 mit Kansas City bereits einmal die Super Bowl. Seinen Wechsel vom Fussball zum Football mit dem irreführenden Namen dürfte er nie bereut haben. Mit gut 5,1 Millionen Dollar Jahreslohn muss er nicht darben. Zum Vergleich: Der Durchschnittslohn in der Fussball-Bundesliga beträgt gut anderthalb Millionen.