Bald ausgeknutscht? «Die Podium-Girls sind ein Zeichen eines sexistischen Stereotyps»

pat

11.5.2018

Der Belgier Tim Wellens im Kuss-Sandwich.
Der Belgier Tim Wellens im Kuss-Sandwich.
Bild: Keystone

Bei manchen NHL-Klubs reinigen knapp bekleidete Mädels das Eis, die meisten Football-Spiele werden von tanzenden, halbnackten Cheerleaderinnen begleitet und bei Radrennen werden bei den Siegerehrungen Küsschen verteilt. Doch spätestens seit der #MeToo-Debatte sind diese Jobs vom Aussterben bedroht.

Die Grid-Grils in der Formel 1 wurden auf diese Saison hin abgeschafft. Während die einen diesen (aus ihrer Sicht längst überfälligen) Beschluss begrüssten, trauerten andere den meist knapp bekleideten Damen hinterher. Formel-1-Marketingchef Sean Bratches erklärte damals, dass die Grid-Girls nicht zu den Markenwerten der Liberty Media passen würden und auch «eindeutig nicht mehr heutigen gesellschaftlichen Normen entsprechen».

So sah das früher aus:

Wie praktisch: Jetzt wusste jeder, hier startet Rosberg – es sei denn, er hatte sich auf den falschen Bildausschnitt fokussiert.
Wie praktisch: Jetzt wusste jeder, hier startet Rosberg – es sei denn, er hatte sich auf den falschen Bildausschnitt fokussiert.
Bild: Getty Images
Bestimmt auch ein unbeschreiblich tolles Gefühl: Vettel gönnt den Damen eine Champagner-Dusche.
Bestimmt auch ein unbeschreiblich tolles Gefühl: Vettel gönnt den Damen eine Champagner-Dusche.
Bild: Getty Images

Nun geht es den Küsschen-Girls im Radsport an den Kragen

Heute werden nach jedem Radrennen Küsschen verteilt. Junge, dem Schönheitsideal entsprechende Frauen – oder haben sie schon mal eine Ehrendame gesehen, die breiter ist als der Radfahrer – drücken den nach dem Rennen ausgezeichneten Fahrern ein Küsschen auf die Backen. Aktuell sieht man das beim Giro d’Italia täglich.

Der Kolumbianer Esteban Chaves gewinnt die 6. Etappe und wird dafür geknutscht.
Der Kolumbianer Esteban Chaves gewinnt die 6. Etappe und wird dafür geknutscht.
Bild: Keystone

Doch diese Zeiten könnten bald der Vergangenheit angehören. Die Organisatoren der Vuelta haben bereits entschieden, dass sie keine Ehrendamen mehr engagieren. Die Tour de France zieht wohl nach.

Fadiha Mehal stellte gegenüber dem Stadtrat in Paris einen entsprechenden Antrag. Geht es nach ihr, so sollen künftig junge Sportler die Top-Stars ehren, nicht herausgeputzte Prinzessinen. Oder wie sie selbst sagt: «Die Podium-Girls sind ein Zeichen eines sexistischen Stereotyps. Das wollen wir im Jahr 2018 nicht.» Und weiter: «Es ist nicht mehr akzeptabel, dass Frauen als Bimbos betrachtet werden.»

Klar, keine Frau wird dazu gezwungen, diese Rolle zu übernehmen. Aber darum geht es auch nicht, es geht ums Prinzip. Es geht um ein Rollenbild, das im 21. Jahrhundert schlichtweg veraltet ist. Und ein Sportevent gewinnt durch die attraktiven Damen nicht an Attraktivität.

In der Schweiz darf weiter geknutscht werden

Hört das muntere Küsschenverteilen auch in der Schweiz auf? Jein. Die Organisatoren der Tour de Suisse nehmen, wie könnte es anders sein, eine neutrale Rolle ein. Schliesslich werden die Ehrungen von Sponsoren organisiert und so kann man die Verantwortung dafür elegant abschieben. Mediensprecher Ueli Anken sagt: «Für die Tour-de-Suisse-Organisation gibt es keinen Anlass, die Praxis der Siegerehrungen zu unterbinden. Umgekehrt werden wir auch nicht intervenieren, falls ein Sponsor ‹seine› Siegerehrung anders gestalten will.»

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