Die WM ist vorbei, die EM ist vorbei, die Saison ist lang. Bei den Besten der Leichtathletik droht eine Kehraus-Stimmung. Die Athletinnen und Athleten wollen in Lausanne davon aber nichts wissen.
Noah Lyles erbringt gleich die Taten zu den Worten, die er tags zuvor beim Medientreff äusserte. Ein 200-m-Lauf in 19,56 Sekunden, das ist hochkarätig. Der drittbeste Wert in diesem Jahr.
«Mein Hunger ist gross. Ich will das Jahr 2022 zu meinem besten Jahr machen», betonte der Amerikaner und liefert auch gleich die Gründe nach. 2019 als 200-m-Weltmeister und Showman der Szene konnte der damals 22-Jährige in der Leichtathletik nicht durchstarten, weil zunächst die Covid-Pandemie den Betrieb lahm legte und er 2021 auch wegen persönlicher Probleme die Topform nicht erreichte und sich mit Olympia-Bronze begnügen musste. Im Hoch stand er erst wieder an der Heim-WM in den USA, als er sich dem Weltrekord von Usain Bolt bis auf 11 Hundertstel genähert hatte.
Der Mittelstreckenläufer Jakob Ingebrigtsen nutzt die Rennen zum Ende der Saison, um auch mal andere Taktiken zu testen. In Lausanne beispielsweise drückte er einfach auf die Tube, nachdem ihn die Hasen lanciert hatten. Der Norweger lief über 1500 m in 3:29,05 Minuten zur Jahresweltbestzeit.
Für Femke Bol gehören eine Top-Einstellung für die letzten Rennen der Saison schlicht zum Beruf. «Technik über die Hürden, Grund-Speed – man kann immer etwas besser machen», hielt sie fest und handelte am Freitagabend auch nach diesem Credo. Über 400 m Hürden stellte die Frau aus den Niederlanden in 52,95 Sekunden gleich einen Meeting-Rekord auf.
Nicht mit Meeting-Rekord, aber in dieselbe Kategorie bezüglich Motivation gehört Rasheed Broadbell. Das Mann aus Jamaika durchmass die 110-m-Hürdenstrecke in 12,99 Sekunden. Die magische 13er-Marke wurde heuer erst zum dritten Mal unterboten. Oder auch im Hürdensprint der Frauen: Jasmine Camacho-Quinn aus Puerto Rico lief in 12,34 Sekunden zum Meeting-Rekord.
Die 100-m-Weltmeisterin Shelly-Ann Fraser-Pryce gestand noch am Medientermin, «dass man sich schon einen Ruck geben muss. Aber dank der Top-Form locken starke Zeiten.» Dazu kam es nicht. Die Frau aus Jamaika verletzte sich beim Aufwärmen.