Normalerweise ist die Saison der Ruderer zu diesem Zeitpunkt längst zu Ende, nun steht von Freitag bis Sonntag mit der EM in Poznan der einzige internationale Vergleich in diesem Jahr an.
Die Schweizer Delegation umfasst sieben Boote – das Team reiste am Mittwochmorgen mit dem Flugzeug nach Polen. Von den letzten drei Europameisterschaften kehrte Swiss Rowing einmal mit vier (2018) und zweimal mit drei Medaillen nach Hause. Mit dem zurückgetretenen Michael Schmid, der 2017 und 2018 Gold im Leichtgewichts-Einer geholt hat, ist einer der Erfolgsgaranten allerdings nicht mehr dabei.
Jene drei Boote, die vor einem Jahr auf dem Podest standen, sind dagegen allesamt in der gleichen Besetzung wieder am Start. Skifferin Jeannine Gmelin hat bei ihren letzten drei EM-Teilnahmen mit Gold 2018 sowie Silber 2015 und 2019 jedes Mal eine Medaille gewonnen und will diese Serie fortsetzen.
Zwar wurde der 30-jährige Zürcher Oberländerin bewusst, dass sie die Wettkämpfe mehr als zuerst gedacht vermisst hat, jedoch fand sie es «sehr positiv», dass sie ohne Stress und Druck trainieren und sich auf verschiedenen Ebenen weiterentwickeln konnte. «Ich hatte nie Motivationsprobleme», so Gmelin. Unter den 14 gemeldeten Skifferinnen befindet sich die Irin Sanita Puspure, die im vergangenen Jahr eine Klasse für sich war und auch 2018 den WM-Titel gewonnen hatte.
«Das Ziel ist immer zu gewinnen»
Der Doppelzweier Roman Röösli/Barnabé Delarze strebt nach Bronze 2017 und Silber 2019 den EM-Titel an. «Das Ziel ist immer zu gewinnen», sagte Delarze. Gleichzeitig stellte er klar, dass die Resultate aufgrund des speziellen Jahres nicht die gleiche Aussagekraft hätten wie normalerweise. «Sollte es nicht gut herauskommen, heisst das nicht so viel für das nächste Jahr und umgekehrt auch nicht.»
Röösli hat das Gefühl, «dass es viele Überraschungen geben wird. Wir haben keine Ahnung, wo wir stehen und wie die Gegner trainiert haben.» Die beiden absolvierten selber viele sehr gute Einheiten, der 27-jährige Luzerner betonte aber, dass das Resultat nicht immer mit dem Gefühl vor dem Wettkampf übereinstimmt.
Röösli ist froh, sich endlich wieder mit der internationalen Konkurrenz messen zu können, auch wenn der Moment vor einem Rennen nie «geil» sei, er sich dann manchmal wünsche, nicht dort zu sein. Röösli/Delarze haben positive Erinnerungen an Poznan, feierten sie dort doch im vergangenen Jahr ihren ersten Weltcup-Sieg im Doppelzweier.
Wie Röösli, der 2018 im Skiff Bronze holte, könnte auch Patricia Merz in Polen zum vierten Mal in Folge den Sprung aufs EM-Podest schaffen, zum dritten Mal im Leichtgewichts-Doppelzweier zusammen mit Frédérique Rol – 2017 startete sie im Leichtgewichts-Einer. Zu mehr als Platz 3 reichte es der 27-jährigen Zugerin allerdings nie.
«Wir haben schon die Erwartung, um die Medaillen mitzufahren», sagte Merz. «Wir konnten im Training noch mehr ins Detail gehen, was gut ist.» Hoffentlich würden sich die Sachen, an denen sie gearbeitet hätten, im Rennen ausbezahlen. Allerdings betonte auch Merz, dass ein Vergleich wie sonst nicht möglich sei, da «alle aus verschiedenen Situationen kommen.»
Mehr Ergometer statt Rudern
Die Schweizer selber nahmen Änderungen im Trainingsplan vor. Zwar befindet sich das Olympia-Kader seit dem 12. Mai wieder im Ruderzentrum in Sarnen, es wurde zunächst jedoch deutlich weniger gerudert als normalerweise. Stattdessen gab es Ergometer- und Velo-Blöcke. Mitte August erhielten die Athletinnen und Athleten eine Woche Ferien.
Die Anpassungen kamen gut an. «Die Trainer sind sonst vorsichtig mit Änderungen, da sie Angst haben, etwas falsch zu machen. Jetzt war das nicht der Fall, vielmehr hatten sie die Freiheit, Sachen auszuprobieren. Das können wir mitnehmen fürs nächste Jahr», erklärte Delarze.
Der für die Olympischen Spiele qualifizierte Vierer ohne Steuermann möchte mit der Besetzung Joel Schürch, Nicolas Kamber, Paul Jacquot und Markus Kessler zumindest den A-Final der besten sechs Boote erreichen. «Das müsste auch ohne super Tag klappen», ist Schürch überzeugt. Auch bei den Frauen ist mit einem Doppelvierer ein Grossboot am Start – ein Projekt im Hinblick auf die Olympischen Spiele 2024 in Paris.
Einem Coronatest mussten sich die Schweizer EM-Teilnehmer nicht unterziehen, vor Ort gelten aber selbstredend die üblichen Schutzmassnahmen wie beispielsweise das Tragen von Masken – ausser auf dem Wasser. «Diesen Kompromiss gehe ich sehr gerne ein», sagte Röösli stellvertretend. Ein grösseres Risiko für eine Ansteckung sieht er nicht: «Das Virus ist auf der ganzen Welt.» Insofern mache es keinen grossen Unterschied, ob er in der Schweiz einkaufen gehe oder nun in Polen sei.