Strassen-EM Europameister im Zeitfahren – «Das Velo fühlte sich an wie eine Rakete» 

Sda

24.8.2020

Stefan Küng holt sich in Plouay den Europameistertitel im Zeitfahren.
Stefan Küng holt sich in Plouay den Europameistertitel im Zeitfahren.
Keystone

Stefan Küng gewinnt an den Strassen-Europameisterschaften in Plouay die Goldmedaille im Zeitfahren. Für den Thurgauer ist es der langersehnte Podestplatz bei internationalen Titelkämpfen in seiner eigentlichen Spezialdisziplin.

Stefan Küng gilt als ausgewiesener Fachmann im Zeitfahren. Seit dem Rücktritt von Fabian Cancellara vor bald vier Jahren holte der U23-Europameister von 2014 viermal in Folge den Schweizer Meistertitel. Auch auf internationaler Ebene liess der starke Roller seine Fähigkeiten im Kampf gegen die Uhr immer wieder aufblitzen. Zwei Drittel seiner Profisiege feierte Küng im Kampf gegen die Uhr. Bei seiner ersten Teilnahme an der Tour de France im Jahr 2017 wäre er beinahe ins Maillot jaune geschlüpft. Einzig Geraint Thomas konnte ihn im Prolog in Düsseldorf bezwingen.

Doch bei Welt- und Europameisterschaften wollte es für Küng in seiner eigentlichen Paradedisziplin bei der Elite bislang nicht klappen. Oftmals konnte der 26-Jährige aus Wilen bei Wil den hohen Erwartungen nicht gerecht werden. Mal war der Parcours zu bergig, dann bremsten ihn das Verletzungspech oder Materialprobleme, oder die Konkurrenz war ganz einfach zu stark. So auch im vergangenen Jahr, als er an der EM in Alkmaar eine Medaille als Vierter um läppische 17 Hundertstel verpasste.

Nach der Absage der Heim-WM in Aigle/Martigny entschloss sich Küng vor knapp zwei Wochen, im EM-Zeitfahren in Plouay an den Start zu gehen. Und der Abstecher in die Bretagne hat sich für den Schweizer wenige Tage vor seinem Start an der Frankreich-Rundfahrt mehr als gelohnt. Auf dem welligen und technisch anspruchsvollen Parcours liess er die gesamte Konkurrenz hinter sich und fuhr souverän zum EM-Titel und damit zur ersten Medaille bei internationalen Elite-Titelkämpfen im Zeitfahren.

Mit Selbstvertrauen und der nötigen Lockerheit

Nach 25,6 km verwies Küng den Einheimischen Rémi Cavagna um 17 Sekunden auf Platz 2. Auch Victor Campenaerts, aktuell Inhaber des Stundenweltrekords auf der Bahn und zweifacher Europameister im Zeitfahren (2017 und 2018), kam nicht an die Zeit von Küng heran. Der Belgier musste sich in Abwesenheit seines Landsmanns und Titelverteidigers Remco Evenepoel mit der Bronzemedaille begnügen.

«Ich habe vom Start bis ins Ziel voll durchziehen können. Das Velo fühlte sich an wie eine Rakete», meinte Küng zu seiner Gold-Fahrt. Es sei ein Bonus, dass er überhaupt hier sei, deshalb habe er einfach das Maximum herausholen wollen. «Und das Maximum war heute die Goldmedaille – also perfekt.»

Sein EM-Titel ist das Resultat aus gesundem Selbstvertrauen und der nötigen Lockerheit. Diese habe er nach dem Gewinn der Bronzemedaille im WM-Strassenrennen vor knapp elf Monaten in Yorkshire wieder gefunden: «Ich weiss, ich kann es.» Den EM-Titel könne man aber nicht mit der WM-Medaille vergleichen. «Er ist aber ein weiterer Meilenstein. Das gibt mir Rückenwind für die nächsten Rennen.»

Schweizer Freudentag

Aus dem Schweizer Lager schafften am Montag mit Marlen Reusser und Stefan Bissegger zwei weitere Fahrer von Swiss Cycling in den Zeitfahr-Wettbewerben den Sprung aufs Podest. Reusser gewann bei den Frauen die bronzene, Bissegger in der U23-Kategorie die silberne Auszeichnung. Damit holte die Schweiz am ersten Tag der kontinentalen Titelkämpfe im Westen Frankreichs einen kompletten Medaillensatz.

Während es für Bissegger nach EM-Bronze im Zeitfahren und WM-Silber im Strassenrennen im letzten Jahr bereits der dritte Medaillengewinn auf Stufe U23 war, feierte Reusser in Plouay «in der Form ihres Lebens» eine Premiere. Dabei wäre für die Bernerin womöglich sogar noch mehr drin gelegen. Nach einem unfreiwilligen Stopp aufgrund von Schaltproblemen musste sie sich schon früh von der nach ihr gestarteten Olympiasiegerin Anna van der Breggen einholen lassen. Die Schweizerin liess sich aber nicht abschütteln und kam sogar noch kurz vor der Niederländerin ins Ziel. Trotz dem grössten Erfolg ihrer Karriere war Reusser nicht restlos zufrieden. «Ich habe gemischte Gefühle», meinte die 28-Jährige, die im vergangenen Jahr die Goldmedaille an den Europa-Spielen gewonnen hatte.

Van der Breggen triumphierte schliesslich mit 59 Sekunden Vorsprung auf Reusser und entthronte damit ihre Landsfrau Ellen van Dijk. Die Zeitfahren-Europameisterin der letzten vier Jahre wurde Zweite.

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