6,2 Millionen Dollar gibt es heuer an einem einzigen Golfturnier in den USA zu gewinnen. Es ist jedoch kein besonderes Turnier. Es ist sogar das am schwächsten dotierte Turnier im ganzen Kalender.
Als der Amerikaner Curtis Strange 1988 in einer einzigen Saison mehr als eine Million Dollar Preisgeld verdiente, schrieb man von einer Sensation. Als solche galt es auch, als Tiger Woods 1997 als Erster die Marke von zwei Millionen Dollar übertraf.
Als Tiger Woods Einzug hielt, begannen die Preisgelder auf dem amerikanischen Circuit ins Inflationäre zu klettern. Wer in diesem Jahr irgendein Turnier von Anfang Januar bis Ende November gewinnt, ist automatisch Millionär. Der Gewinner bekommt jeweils 18 Prozent des Preisgeldes. Und damit wird sich der Sieger des erwähnten, sportlich wenig bedeutenden 6,2-Millionen-Dollar-Turniers einen Check über 1,11 Millionen Franken ausstellen lassen.
Ein US-Turnier der Saison 2019/20 ist mit durchschnittlich 8,39 Millionen Dollar dotiert. Im Vergleich zur vorangegangenen Saison bedeutet dies eine Steigerung um 2,75 Prozent. Gegenüber 1995 hat sich das Preisgeld verfünffacht, gegenüber 1988 verzehnfacht. Selbst wenn man Abwertung, Inflation, verminderte Kaufkraft und ähnliche Faktoren berücksichtigt, ist es immer noch eine Vervielfachung. Die Dollarspirale dreht sich weiter, und sie wird nicht müde.
Seit 2013 beginnt die Golfsaison in den USA jeweils schon im Herbst. Die meisten Stars halten sich aus den Herbstturnieren heraus und konzentrieren sich auf die wichtigsten Monate von Februar bis August. Noch bevor in dieser Saison die Besten richtig eingegriffen haben, werden auf der Preisgeld-Rangliste schon 21 Spieler geführt, die mindestens eine Million Dollar gewonnen haben.
Armenhaus Europa
Im Profigolfsport geht die Schere zwischen Arm (Europa) und Reich (USA) immer weiter auseinander. Das zeigt sich am Unterschied bei den Preisgeldern, an der Qualität der Teilnehmerfelder, aber auch an der Tatsache, dass die besten Europäer den grössten Teil der Saison in den USA bestreiten. Auch jüngere Profis, die noch keinen Superstar-Status haben, ziehen in die Staaten. Ein Beispiel ist der 25-jährige Engländer Matthew Fitzpatrick. Der zweifache Sieger des Omega European Masters in Crans-Montana absolvierte 2019 insgesamt 14 Turniere in den USA.
Die Verantwortlichen der PGA European Tour wissen, dass sie keinen ihrer besten Golfer dauerhaft nach Europa zurückholen können. Deshalb versuchen sie, wenigstens die Jungen bei der Stange zu halten. Unter dieser Zielsetzung liess sich der potente Genfer Luxusuhrenhersteller Rolex auf die Saison 2017 einspannen. Seither machen jeweils sieben Turniere in Europa die «Rolex Series» aus. Jedes Turnier ist mit sieben Millionen Dollar dotiert – ein Mehrfaches höher als das Gros der übrigen Turniere auf dem Alten Kontinent, aber deutlich unter der durchschnittlichen Dotierung in den USA. Nach der dritten Saison der «Rolex Series» muss man feststellen, dass die Qualität der Teilnehmerfelder in Europa kaum gestiegen ist und dass sich starke junge Spieler – Beispiel Fitzpatrick – nicht vom Umzug in die USA abhalten lassen. Ob Rolex die kostspielige Aktion noch lange finanzieren wird, ist fraglich. Für 2020 sind die Genfer jedenfalls noch dabei.
Das European Masters in Crans-Montana wird in absehbarer Zeit nicht zu den «Rolex Series» gehören, da Rolex und Titelsponsor Omega auf dem Markt Konkurrenten sind. Turnierdirektor Yves Mittaz strebt ein attraktives Teilnehmerfeld ohnehin nicht über das Preisgeld an. Topstars wie Rory McIlroy und Sergio Garcia sind als Werbebotschafter bei Omega unter Vertrag. Und das Turnier auf dem Walliser Hochplateau hat einen fixen Platz in der ersten Septemberwoche. Die US PGA Tour hat ihren Kalender auf 2019 hin harmonisiert. Seither findet das Schweizer Turnier mit etwas Glück genau dann statt, wenn die wichtigsten Turniere in Amerika gespielt sind. Letzten Herbst war es so. Rory McIlroy und Sergio Garcia reisten von Florida direkt ins Wallis und bescherten dem Turnier einen bemerkenswerten Zuschauerrekord. Mit 64'800 wurde die alte Bestmarke von 2015 um fast 10'000 übertroffen. Heuer allerdings fällt das Turnier mit der Tour Championship in den USA zusammen, dem dortigen grossen Saisonschlusspunkt.
Mit fremden Federn geschmückt
Der Kalender der Europa-Tour ist seit langem eine veritable Mogelpackung. Die vier jeweils mit 10,5 Millionen Dollar dotierten Turniere der World-Golf-Championships-Serie (WGC) figurieren im europäischen Programm. Aber keines davon findet tatsächlich in Europa statt. Ähnlich verhält es sich mit den sportlich wertvollsten vier Turnieren, den sogenannten Majorturnieren, den Pendants zu den Grand-Slam-Turnieren im Tennis. Drei der vier Anlässe (US Masters, US PGA Championship, US Open) werden alljährlich in Amerika ausgetragen – und nur das British Open in Europa.