Der Rückkampf zwischen Box-Weltmeister Andy Ruiz Jr. und Anthony Joshua findet am 7. Dezember in Saudi-Arabien statt. So verkommt das sportlich brisante Duell zur politischen Propaganda.
Die beiden Schwergewichtsboxer Andy Ruiz Jr. und Anthony Joshua kämpfen Ende des Jahres in Diriyya, einem Vorort der saudischen Hauptstadt Riad, gegeneinander. Der Gewinner steht dabei schon fest: Eddie Hearn. Der englische Boxpromoter verkaufte im Mai 2018 die Rechte für die Kämpfe seiner Boxer (sein bestes Pferd im Stall ist Landsmann Anthony Joshua) in den kommenden acht Jahren und erhielt dafür vom Sportsender «DAZN» eine Milliarde Dollar. Der Geschäftssinn wurde dem 40-Jährigen sozusagen in die Wiege gelegt: Sein Vater Barry Hearn ist Chef der Snooker-WM und der Darts-WM.
Der Sprössling zieht dabei Geld der Moral vor. Als Saudi-Arabien ein verlockendes Angebot in Höhe von 100 Mio. USD machte, waren die ursprünglichen Pläne für den Rückkampf in Grossbritanien (Cardiff), Mexiko (Tijuana) oder in den USA (New York) schnell vom Tisch. Kein Wunder, wenn man sich die Verteilung der Kampfbörse ansieht: Titelverteidiger Ruiz soll zehn Millionen USD kriegen, Herausforderer Joshua gar 50 Mio. Die restlichen knapp 40 Mio. USD gehen an Eddie Hearn.
Dafür weibelt der Geschäftsmann rund um den Globus für den «Clash on the Dunes» (Zusammenprall in den Dünen), wie der Kampf offiziell heisst. Die Promo-Tour findet derzeit während dreier Tage in drei Kontinenten statt. An den PR-Events verteidigt Hearn dabei jeweils die spezielle Standortwahl inbrünstig: «Manchmal ist unser Sport sehr engstirnig. Es gibt Las Vegas, es gibt New York, es gibt London ... Aber es gibt eine ganze Welt da draussen und jetzt gibt es eben Boxen in Saudi-Arabien. Das ist eine so grosse Chance für unseren Sport. Du bringst nicht nur irgendeinen Kampf hierher, sondern den grössten Kampf im Weltboxsport – die Weltmeisterschaft im Schwergewicht. Ein Rematch von einem der grossen Kämpfe des Jahres.»
Saudi-Arabien war zuletzt Gastgeber von vielen Sportveranstaltungen, darunter etwa der italienische Super Cup im Fussball oder ein Formel-E-Rennen. 2020 wird das Königreich das reichste Pferderennen der Welt ausrichten. Ende des letzten Jahres sagten Novak Djokovic und Rafael Nadal eine höchst umstrittene Exhibition in Saudi-Arabien ab – offiziell wegen einer Verletzung Nadals, inoffiziell ging es wohl auch um die eigene Reputation.
Der Wüstenstaat verfolgt mit der Ausrichtung der Sportevents eine klare Strategie, wie ein Sprecher von Amnesty International erläutert: «Die saudischen Behörden versuchen ihr stark angeschlagenes Image 'sportzuwaschen'».
Der Druck auf das erdölreiche Land ist vor allem durch die Ermordung des Regimekritikers Jamal Khashoggi in der saudischen Botschaft in der Türkei gestiegen. Die Situation der Menschenrechte sowie die drakonischen Strafen im streng religiösen Land stehen schon länger im Fokus der Weltöffentlichkeit.
Auch Joshua holt die Gier ein
«Ich wusste, dass es Kritik und Kontroversen geben wird, als wir Saudi-Arabien den Zuschlag gaben», verteidigt sich Hearn gegenüber dem «Guardian» gegen die Kritik. Geld habe keine Rolle gespielt, vielmehr sei die Infrastruktur passend gewesen, sülzt er. «Ich bin ein Boxveranstalter und manchmal führen Kritik und Neugierde zu einem Ereignis von aussergewöhnlicher Tragweite.»
Der symbolischen Tragweite waren sich die beiden Boxer sicherlich bewusst – und haben aus materiellen Gründen gerne über die Problematik hinweggesehen. Dabei mahnte Amnesty International die beiden Boxer noch, sie sollen sich vor einem Rückkampf zunächst über die Menschenrechtssituation im Land informieren. Stattdessen haben Ruiz und Joshua den Kontostand angeschaut.
Es ist schlichtweg ein Ärgernis – und dies ausgerechnet von zwei Athleten, die bisher als Aushängeschilder ihres Sports positiv in Erscheinung getreten waren. Gerade im Fall von Joshua, der bis vor Kurzem noch seine Bescheidenheit zelebrierte. Das Bild der vermeintlichen Vorbilder hat nun nicht nur Risse bekommen, sondern es ist schwer beschmiert. Mit Erdöl.