Giulia Steingruber tritt zurück. Die 27-jährige St. Gallerin erklärte am Freitag an einer Medienkonferenz in ihrer Heimat Gossau wie erwartet den Rückzug vom Spitzensport.
Mit Giulia Steingruber beendet die erfolgreichste Schweizer Kunstturnerin der Geschichte ihre Karriere. «Mein Körper ist nach über zehn Jahren im Spitzensport müde», erklärte die 27-Jährige. Die Ostschweizerin gewann neben Olympia- und WM-Bronze am Sprung 37 Schweizer Meister- und sechs EM-Titel, den letzten im Frühjahr an den Titelkämpfen in Basel, als sie trotz eines wenige Tage zuvor erlittenen Muskelfaserrisses im Oberschenkel am Sprung triumphierte.
Für Steingruber war es die zehnte und letzte EM-Medaille. 2012 in Brüssel hatte sie mit Bronze am Sprung erstmals Edelmetall geholt, 2013, 2014, 2016 und 2021 stand sie in ihrer Paradedisziplin jeweils zuoberst auf dem Podest. 2015 krönte sich sich in Montpellier mit Gold im Mehrkampf zur Turnkönigin Europas, ein Jahr später gewann sie an den Heim-Europameisterschaften in Bern mit einem begeisternden Auftritt auch den Titel am Boden.
Ihren grössten Erfolg feierte Steingruber an den Olympischen Spielen 2016 in Rio de Janeiro, als sie mit Bronze am Sprung als erste Schweizerin eine Olympiamedaille im Kunstturnen gewann. An der Eröffnungsfeier im Maracanã hatte sie die Schweizer Delegation als Fahnenträgerin angeführt. An den Spielen 2012 in London und in diesem Sommer in Tokio erreichte Steingruber jeweils den Mehrkampf-Final, verpasste aber am Sprung den Kampf um die Medaillen jeweils hauchdünn.
Viele Verletzungen warfen Steingruber zurück
Die letzten Jahre in Steingrubers Karriere waren von Verletzungen geprägt. Nach einer Auszeit nach den Spielen in Rio und einer Fussoperation kämpfte sich die Schweizer Sportlerin des Jahres 2013 zurück und schloss im Herbst 2017 in Montreal mit dem Gewinn von WM-Bronze die letzte Lücke in ihrem Palmarès. Im Sommer 2018 zog sich Steingruber in einem Testwettkampf vor den Europameisterschaften in Glasgow einen Kreuzbandriss im linken Knie zu.
Auch die Vorbereitung auf die wegen der Corona-Pandemie um ein Jahr verschobenen Spiele in Tokio verlief alles andere als ideal. Neben dem Muskelfaserriss wurde Steingruber auch durch starke Nebenwirkungen der Corona-Impfung und eine Knochenprellung mit einer Zyste am Handgelenk gebremst.
Mit Steingruber geht dem Schweizerischen Turnverband das Aushängeschild der letzten Jahre verloren. Mit ihrer bodenständigen und unkomplizierten Art eroberte die Ostschweizerin die Herzen der Zuschauer weit über die Szene hinaus. Im Frauen-Kunstturnen stehen dem STV schwierige Zeiten bevor. Zuletzt trennte sich der Verband wegen Mangel an Erfolgen und Verstössen gegen das Ethikreglement von Cheftrainer Fabien Martin, Steingrubers langjährigem Trainer, und entschied sich für eine strategische Neuausrichtung.