Technischer Leiter beim Eidgenössischen Stefan Strebel: «Ich hätte gerne einen würdigen, verdienten König»

plh, sda

20.8.2022 - 04:01

Man sieht es ihm an: Stefan Strebel freut sich auf das Eidgenössische
Man sieht es ihm an: Stefan Strebel freut sich auf das Eidgenössische
Keystone

In Pratteln amtet Stefan Strebel erstmals als Technischer Leiter des ESV an einem Eidgenössischen Fest. Auf den 45-jährigen Aargauer warten Verantwortung und viel Arbeit. Aber auch Freude und Stolz.

plh, sda

Stefan Strebel, Sie traten 2004 als dreifacher Eidgenosse vom aktiven Schwingsport zurück. Sie waren damals 27-jährig, also in einem Alter, das für einen Schwinger das beste Alter sein kann.

Schon als Bub und Jugendlicher hatte ich das Ziel, drei eidgenössische Kränze zu gewinnen. Mit 27 hatte ich dieses Ziel erreicht. Schwingerkönig zu werden war mit meinem Teilverband und mit meinem Können nicht realistisch. Ich hatte auch noch andere Ziele im Leben. Ich wollte eine Familie gründen und eine eigene Firma leiten, und im Schwingen wollte ich einst Technischer Leiter werden. Ich war allerdings nie ein Mensch, der viele wichtige Dinge gleichzeitig richtig tun konnte. Ich hätte also weniger trainieren können. Damals trainierte ich fünf- oder sechsmal pro Woche. Dadurch hätte ich weniger Erfolg gehabt, hätte auch mehr Gänge verloren. Als Schwinger muss man auch verlieren können, aber ich hatte immer meine Mühe damit. Ich hätte mich damit auseinandersetzen müssen, mehr zu verlieren. Als ich nach dem Eidgenössischen in Luzern an einem Sonntag wie üblich auf den Vita-Parcours ging, war ich nur noch am Gehen. An diesem Sonntag schrieb ich den Rücktritt. Meine Ziele im Schwingen hatte ich erreicht. Und meine neuen Ziele erreichte ich auch.

Viele Sportler fallen nach der Karriere in ein Loch. Das ist Ihnen nicht passiert.

Ich hatte für mich selber das weitere Ziel, im ESV Technischer Leiter zu werden. Ich sah zum Beispiel, was Ernst Schläpfer auch als Eidgenössischer Technischer Leiter für das Schwingen alles realisiert hat.

Übergabe beim Znacht

Jetzt sind Sie 2020 der erste Eidgenössische Technische Leiter aus dem Nordwestschweizer Verband geworden. Ihr Vorgänger war der Berner Samuel Feller. Wie ist die Übergabe verlaufen?

Es gibt immer eine Übergabe. Der Neue lädt den Alten zu einem Nachtessen ein. Das gibt immer ein langes Nachtessen, es wird über alles diskutiert. Feller übergab mir auch einen Stick mit allen Daten. Aber einen weiteren Austausch gibt es nicht. Wir haben es gut miteinander, und er lässt mich machen. Ich will es später selber auch so handhaben.

Bis im 2020 waren Sie Technischer Leiter der Nordwestschweizer. Sie waren an den Eidgenössischen Festen also Partei, Anwalt Ihres Verbands. Fällt es Ihnen leicht, am Eidgenössischen der Chef des Einteilungskampfgerichts zu sein und dabei neutral zu sein?

Ja, es fällt mir leicht. Denn ich muss ja vor allem dafür schauen, dass das Fest spannend bleibt und es einen würdigen Schwingerkönig gibt. Und dass es in der Einteilung fair zu und hergeht und dass der vorgegebene Tageszeitplan eingehalten wird. Jeder Technische Leiter der fünf Teilverbände kommt mit eigenen Interessen daher und verfolgt eine eigene Strategie. Ich bündle das alles, mit einer geraden Linie. Es ist auch immer ein Zeitdruck da. Wir können über wichtige Paarungen nicht ewig diskutieren.

Den ersten Gang an einem Eidgenössischen Fest einzuteilen ist eine grosse Ehre, andererseits bedeutet es eine grosse Verantwortung gegenüber den Schwingern und gegenüber dem Publikum. Wie wägen Sie dies gegeneinander ab?

Ja, es ist eine Ehre. Ich habe ja darauf hingearbeitet, seit 2005, seit ich Funktionär bin. Ich fühle auch einen gewissen Stolz. Ich bin mir bewusst, welche Aufgabe es mit sich bringt. Deshalb habe ich in den letzten Jahren auch viele Schwingfeste besucht. In dieser Saison waren es 16 oder 17. Es soll eine gute und spannende Einteilung ergeben.

Wer antritt, wird als fit beurteilt

Zurzeit plagen sich mehr Spitzenschwinger als vor den früheren Eidgenössischen Festen mit Verletzungen herum. Damian Ott, Pirmin Reichmuth und die Berner Christian Stucki, Kilian Wenger, Kilian von Weissenfluh, Florian Gnägi und Michael Ledermann müssen alle hoffen, dass sie noch rechtzeitig fit werden. Gerade die Teilnahme von Christian Stucki ist höchst unsicher. Werden Sie Varianten von Einteilungen der Spitzengänge anfertigen?

Ich schaue immer dafür, dass ich einen Plan B habe. Ein Schwingerkönig wie Christian Stucki hat einen klaren Einfluss auf den ersten Gang. Sollte er nicht kommen, dann müsste ich sicher anders einteilen. Grundsätzlich muss ich immer davon ausgehen, dass ein Schwinger hundertprozentig fit ist, wenn er mitmacht. Es gibt keine andere Möglichkeit, wir können keine Rücksicht nehmen auf den Fitnessstand des Athleten. Also wird der Schwinger immer als fitter Schwinger eingeteilt.

Christian Stucki hier in einem Gang gegen den Kilchberger Sieger Damian Ott
Christian Stucki hier in einem Gang gegen den Kilchberger Sieger Damian Ott
KEYSTONE/MARCEL BIERI

Sie werden vermutlich oft nach Ihrem Siegertipp gefragt. Sie müssen sich bei uns nicht auf die Äste herauslassen. Sehen Sie eine Gruppe von Schwinger, die für den Königstitel in Frage kommen.

Eine solche Gruppe gibt es vor jedem Eidgenössischen. Aber nicht selten wurde ein Schwinger König, den man nicht unbedingt in einer solchen Gruppe geführt hatte. Ich denke da beispielsweise an Kilian Wenger 2010 oder an Matthias Glarner 2016. Jetzt in Pratteln kann es wieder so sein. Es ist vieles möglich.

Eher Revanchen als Premieren

Bei der Einteilung des ersten Gangs könnten sie darauf achten, dass sie Paarungen mit Schwingern bilden, die noch nie gegeneinander angetreten sind. Oder Sie könnten Paarungen als Revanche früherer, vielleicht wichtiger Duelle zusammenstellen. Wie gehen Sie vor?

Das Wichtigste für mich ist, dass wir am Sonntagabend einen würdigen Schwingerkönig haben. Ich halte nicht so viel davon, Paarungen zusammenzustellen, die es noch nie gab. Revanchen dagegen sind in meinen Augen eher eine gute Möglichkeit, ich werde vielleicht auch ein paar solche Paarungen machen.

Christian Stucki ist mit seiner unverkennbaren Art und seiner unverwechselbaren Erscheinung, aber auch mit seinen Erfolgen als Gewinner des «Grand Slam» ein Phänomen. Was stellt er für Sie dar?

Ja, er ist ein Phänomen. Er ist 'gmögig', gut, sympathisch. Er hat ja auch die Fähigkeit bewiesen, dass er nach einer Verletzung nicht viel Zeit braucht, um wieder in die beste Form zu kommen.

Sie hoffen für Pratteln auf einen würdigen, verdienten, klaren König. Was wünschen Sie sich noch?

Dass die Kränze gerecht verteilt werden. Dass die Schwinger faire Chancen bekommen, den Kranz zu gewinnen.

Ihr Herz schlägt sicher noch heute für den Nordwestschweizer Verband. Der letzte Nordwestschweizer Schwingerkönig war Max Widmer im 1958. Seither sind ganz grosse Erfolge ausgeblieben. Warum?

Die Grösse und die Stärke des Teams spielen eine wichtige Rolle. Die Nordwestschweizer sind mit ihrer Grösse nur die vierte Kraft. Natürlich hat jeder die Möglichkeit, Schwingerkönig zu werden. Er muss einfach alle acht Gänge gewinnen wie Kilian Wenger im 2010 oder auch wie Matthias Sempach im 2013. Es ist ein Einzelsport, und trotzdem benötigst du ein gutes Team. Wenn du ein solches hast, steigen deine Chancen. Den Nordwestschweizern fehlt auch zurzeit einfach die Breite.