Bei seinem grossen Erfolg, dem ersten Aufstieg eines Schweizers auf die grosse europäische Tour seit 20 Jahren, will es der Bündner Golfprofi Jeremy Freiburghaus nicht bewenden lassen.
Zu erfreulich und unübersehbar sind hierfür die Fortschritte des 26-jährigen Bonaduzers.
Erst vor drei Jahren wagte Freiburghaus den Schritt zu den Professionals. In der Corona-Saison 2020 qualifizierte er sich über eine Tour der dritten Stufe für die Challenge Tour, den zweiten Circuit im europäischen Profigolf. Und jetzt, am Ende seiner zweiten Saison, steht er so weit oben, wie es ihm überhaupt nur möglich ist. Er schaffte für 2023 nicht nur den Aufstieg in die DP World Tour, wie die PGA European Tour heute heisst. Er führt das Feld mit insgesamt 259 Profis aus aller Herren Länder mit einem satten Vorsprung an. Nur das Tourfinale von Anfang November auf Mallorca ist noch zu spielen. Freiburghaus hat beste Aussichten, Erster zu bleiben.
Angekündigter Turniersieg
Das kräftigste Indiz für die offensichtlichen Fortschritte auf bereits beachtlich hohem Niveau, die er in seiner vierten Saison als Profi gezeigt hat, ist der ein Preisgeld von über 42'000 Euro einbringende Turniersieg vom letzten Wochenende in Abingdon südlich von Oxford. Der Triumph kam nicht aus dem Nichts. Früher in der Saison hatte Freiburghaus mit zwei vierten und zwei zweiten Plätzen vorgespurt. Auf den letzten Löchern der Schlussrunde, in der er sich mit dem Deutschen Maximilian Schmitt um den Siegercheck duellierte, sei er ruhig geblieben, sagte er hinterher. Ebenso im Stechen, das er mit einem sauberen Par für sich entschied. Vorher hatte er ein paar Mal in den Finalrunden nachgelassen.
«Jeremy ist mental schon jetzt recht stark, und er wird immer stärker», sagt Andreas Schwaller. Der frühere Solothurner Spitzencurler, als Skip Olympia-Dritter 2002 und Europameister 2006, betreut den Bündner seit nunmehr zwei Jahren als Mentalcoach. Die beiden halten es so, dass Freiburghaus Schwallers Rat einholt, wenn er ihn benötigt. Dies ist oftmals nach eher missratenen Turnieren der Fall, wenn der Spieler die Qualifikation für die Finalrunden und damit die Preisgeld-Ränge verpasst hat. «Ich zeige Jeremy dann jeweils mehr als eine Möglichkeit auf. Er wählt aus.»
Rückschläge weggesteckt
Es kommt immer wieder und auf allen Niveaus vor, dass ein Golfer nach einem Misserfolg in einen Sog gerät, der ihn hinunterzieht. Freiburghaus jedoch verpasste nur einmal – früh in der Saison – in zwei aufeinanderfolgenden Turnieren den Cut für die Finalrunden. In jedem anderen Fall fing er sich umgehend auf. Was macht Freiburghaus nach einer schwächeren Leistung? «Ich analysiere, wie die Leistung zustande gekommen ist. Manchmal ist es eine bestimmte Disziplin wie der Abschlag oder das Putten, die nicht gut genug war. Ich spüre dies subjektiv. Ich kann mich aber auch auf eine präzise, objektive Computer-Auswertung des ganzen Turniers stützen.»
Freiburghaus' Talent ist unbestritten. Aber für den Erfolg braucht es ebenso sehr mentale Stabilität, Wille und akribische Arbeit. Er zeigt, dass er willens ist, den bislang erfreulichen Weg im nächsten Jahr auf der grossen Tour weiterzugehen.
Sehr lange Durststrecke beendet
Das Schweizer Profigolf der Männer war in den letzten 18 Jahren, seit dem Abstieg des Genfers Julien Clément Ende 2004, das abgehängte Schlusslicht unter den westeuropäischen Ländern, die Kleinstaaten ausgeklammert. Clément gelang der Wiederaufstieg nie. Andere hoffnungsvolle Profis wie Raphaël de Sousa, Damian Ulrich, Martin Rominger und Nicolas Sulzer stiegen nie auf.
Die Männer-WG
Es könnte jedoch sein, dass Jeremy Freiburghaus Nachahmer findet. Schon in dieser Saison funktionierte auf der Challenge Tour eine Art «Team Schweiz». Freiburghaus, die Thurgauer Benjamin Rusch und Joel Girrbach, der Waadtländer Robert Foley und der Zürcher Marco Iten unternahmen alles zusammen: Reisen, Wohnung mieten, kochen, essen, gegenseitige Unterstützung. In der Tat sind vor allem Rusch und Girrbach nicht weit von dem Niveau entfernt, das Freiburghaus ausspielt.