In der neuen Formel-1-Saison ist der Spielraum für Unerwartetes beschränkt. Bedeutsame Neuerungen bringt erst die fernere Zukunft im Sinne einer technologisch und ökologisch zeitgemässen Rennserie.
Es ist nicht so und wird nie sein, dass in der Formel 1 ausschliesslich der Sport im Mittelpunkt steht. Die Nebenschauplätze sind zu zahlreich und auch zu prägend, um die Wahrnehmung auf das Geschehen auf den Rennstrecken zu beschränken.
Gerade Vorkommnisse, die ein schiefes Licht auf die Premium-Klasse des Automobil-Rennsports werfen, sind sehr oft hausgemacht. Das Zerwürfnis zwischen den Team-Oberen, Neid, gegenseitige Verdächtigungen und Schuldzuweisungen, eine Rennleitung, die in entscheidenden Momenten nicht auf der Höhe ihrer Aufgabe ist, oder Grands Prix in Ländern mit zwielichtigen Regierungen, die sich einen Deut um Menschenrechte scheren, sind Beispiele dafür.
Krisen aller Art ziehen sich wie ein roter Faden durch die seit 73 Jahren bestehende Formel 1. Oft schon ist ihr nahendes Ende vorausgesagt worden, in der Gunst des Publikums war sie in beängstigende Tiefen abgestürzt. Der Ruf einer Geldvernichtungsmaschine hatte sie längst eingeholt, die finanzielle Potenz als der entscheidende Faktor im technischen Wettrüsten hatte im Kreis der Teilnehmer zu einer Mehrklassengesellschaft geführt.
Wegweisende Projekte
Die Erinnerungen an schwierige Zeiten sind auch Mahnmale. Die Verantwortlichen haben die Zeichen richtig gedeutet – und, nach dem Besitzerwechsel von der Luxemburger Firma CVC Capital Partners zum amerikanischen Unternehmen Liberty Media, mit wegweisenden Projekten die Wende eingeleitet. Die Formel 1 hat betreffend Attraktivität wieder Riesenschritte in die richtige Richtung getan, die Formel 1 boomt wieder.
Die Macher sehen sich durch das gestiegene Interesse in ihrer Arbeit bestätigt. Sie haben die Basis gelegt, damit die Formel 1 die Rolle zu spielen vermag, die ihr schon immer zugedacht war – als Zentrum der technischen Künste, als Vorreiterin im diesbezüglich obersten Segment für den Bau von zivilen Fahrzeugen.
Nach den zahlreichen gelungenen Anpassungen werden die nächsten Schritte folgen. Die wegen der Corona-Pandemie mit einem Jahr Verzögerung eingeführte neue Auto-Generation wird nicht der letzte Einschnitt mit grosser Wirkung bleiben. In drei Jahren folgt die Umsetzung des neuen Antriebs-Reglements. Mit dem Beschluss, auf zu hundert Prozent nachhaltigen Kraftstoff zu setzen, haben die Wortführer der Formel 1 bei den Automobil-Konzernen offene Türen eingerannt.
Sechs Antriebs-Lieferanten
Stand heute werden in drei Jahren gleich sechs Hersteller als Motoren-Lieferanten in der Formel 1 tätig sein. Zu Mercedes, Ferrari, Renault/Alpine werden sich Audi in Zusammenarbeit mit dem Team Sauber, Ford an der Seite des Rennstalls Red Bull und auch wieder Honda gesellen. Vier weitere Jahre später soll dann die womöglich grösste Herausforderung in der Geschichte der Rennserie reif für die Umsetzung sein. Nachhaltiger Kraftstoff und weitreichende Anpassungen bei Logistik und Transport sollen die Formel 1 zu einem klimafreundlichen Betrieb machen.
Das ehrgeizige Ziel haben sich die Verantwortlichen bereits vor mehr als drei Jahren gesetzt. Im Rahmen einer umfassenden, auf Klimaneutralität ausgelegten Strategie arbeiten sie seither eng mit Vertretern des Internationalen Automobil-Verbandes FIA und der Teams, den Grand-Prix-Veranstaltern, Partnern und Zulieferern zusammen. Die Bemühungen sind lobenswert, aber auch von Skepsis begleitet. Klimaexperten und Naturschützer hegen Zweifel an der termingerechten Umsetzung der Vorgaben. Sie sehen die Formel 1 mit dem stets ausgebauten Veranstaltungskalender nach wie vor als Hort der grossen Umweltsünden.
Die fernere Zukunft der Formel 1 ist deshalb in den Fokus gerückt, weil mit Blick auf die am kommenden Wochenende beginnende Saison wenig Grundlegendes oder Spektakuläres auszumachen ist – weder beim Bau der neuen Boliden noch bei der sportlichen Ausgangslage. Der aktuelle Jahrgang der Autos kommt im Jahr 1 nach der grossen Revolution als Evolution der Vorgängermodelle daher, um den Platz als Klassen-Primus dürfte sich die Weltmeister-Equipe von Red Bull wie gehabt einen Kampf mit den Teams von Mercedes und Ferrari liefern.
Erneut Vorteil Red Bull
Nach den Erkenntnissen aus den drei Tage dauernden Testfahrten auf dem Circuit in Sakhir, am Sonntag mit dem Grossen Preis von Bahrain auch Schauplatz des Saisonauftakts, sind die Tendenzen etwas klarer ersichtlich als auch schon. Red Bull mit Titelverteidiger Max Verstappen scheint am besten gerüstet zu sein. Zumindest lassen das die erzielten Rundenzeiten vermuten.
Der Zeitenvergleich fördert auch die Fortschritte des Teams Aston Martin zutage. Der Equipe, in der der zweifache Weltmeister Fernando Alonso den zurückgetretenen vierfachen Weltmeister Sebastian Vettel ersetzt hat, wird zugetraut, zumindest in der ersten Phase der Saison für die eine oder andere Überraschung zu sorgen.
Vorerst bleibt es bei Einschätzungen und Vermutungen. Das wahre Gesicht wird die Hierarchie in der Formel 1 erst am Wochenende zeigen. Dann, wenn die fernere Zukunft in den Hintergrund tritt – und nur die Gegenwart auf der Rennstrecke zählt.