Am Fecht-Weltcup von Bern geschieht Historisches. Im Final besiegt der Walliser Lucas Malcotti seinen Kantonskollegen Alexis Bayard. Das Erfolgsrezept: die harten Walliser Köpfe.
Auch am Sonntagabend nagt es noch an Alexis Bayard, dass er diesen Final gegen Lucas Malcotti verloren hat. Lieber gegen einen Teamkollegen verlieren als gegen jemand anderen? Pustekuchen. Wer so denkt, kennt die Walliser schlecht. «Es gibt schon eine spezielle Konkurrenz», verrät der 27-jährige Bayard vor der Garderobe des Schweizer Teams in der Handball-Halle in Gümligen. «Keiner von uns will verlieren. Wir pushen uns konstant.»
Bayard und der nur ein Jahr ältere Malcotti kennen sich seit frühester Jugend und machten bereits bei den Junioren alle Reisen zusammen. Und sie stehen für die grosse Tradition des Fechtens im Wallis. Die Gründe dafür sehen beide ähnlich. «Wir haben einen starken Kopf», betont Malcotti, der 2018 mit dem Schweizer Team Weltmeister wurde.
«Das ist in unserem Sport wichtig. Man ist immer unter Druck und muss oft auch gegen sich selber kämpfen.» Bayard pflichtet bei: «Wir haben starke Charaktere im Wallis, das hilft uns.» Mit Hadrien Favre bestehen drei Viertel des Schweizer Weltcup-Quartetts aus Wallisern, dazu kommen bei den Frauen Hadriens Schwestern Angeline und Aurore Favre.
Kein Match wie jeder andere
Im Final hatte Bayard etwas Mühe, die Umstände auszublenden. «Ich habe es wohl nicht geschafft, diesen Final wie jeden anderen Match anzugehen.» Er hatte bereits im Februar in Heidenheim einen Weltcupfinal verloren. Malcotti hingegen brachte seinen Traumwettkampf zu einem perfekten Ende. Er hatte als Nummer 165 der Welt bereits am Freitag sechs Gefechte in der Qualifikation bestreiten müssen und zog dann voll durch. Im Halbfinal düpierte er auch den ungarischen Weltmeister und Weltranglistenzweiten Mate Tamas Koch. «Es ist ein Traum, der wahr wurde», zeigte er sich auch 24 Stunden später noch fassungslos. «Ich habe es noch nicht ganz realisiert.»
Freude hatte auch Max Heinzer, mit 36 Jahren der Doyen des Teams und in den letzten Jahren das Aushängeschild des Schweizer Fechtsports. «Es war mega schön, in den letzten Jahren ihre Entwicklung zu sehen. Und jetzt haben sie alles durchgerockt», zeigte sich der Schwyzer begeistert.
Verletzungssorgen überwunden
Der erste Weltcupsieg eines Schweizers seit Heinzer vor knapp sieben Jahren in Vancouver katapultierte Malcotti 118 Positionen nach vorne auf Platz 47. Da gehört der Olympiateilnehmer von 2021 in Tokio gemäss eigener Einschätzung auch hin. Die letzte Saison war für ihn nach einer Verletzung der Achillessehne in der Vorbereitung, starken Schmerzen im Knie sowie einem privaten Problem schwierig. «Da habe ich zeitweise etwas das Selbstvertrauen verloren.»
Nun ist Malcotti wieder topfit, auch dank des Wechsels des Fitnesstrainers. Das ist nicht zuletzt für das Team wichtig, denn der einfachste – und doch sehr harte – Weg an die Olympischen Spiele führt über die Mannschaftswertung. Als Siebte in Bern machten die Schweizer nach dem enttäuschenden 17. Platz an der WM, der nicht als Streichresultat zählen kann, wieder einen Schritt nach vorne.
Sie sind aktuell die Nummer 10 im Ranking. Acht Teams werden in Paris im kommenden Sommer dabei sein, die ersten vier der Weltrangliste und dann das jeweils Beste der vier Kontinentalverbände. Gut für die Schweiz ist, dass mit Frankreich, Italien und Ungarn derzeit drei europäische Teams in den Top 4 sind. Dahinter sind Malcotti und Co. hinter den neuntplatzierten Tschechen die zweitbesten verbleibenden Europäer. Drei Turniere stehen noch an: Vancouver Anfang Dezember, Heidenheim und Buenos Aires im kommenden Frühjahr.
Alles für das Team
Von den qualifizierten Teams sind jeweils drei Fechter auch im Einzel dabei, dahinter verbleiben nur noch zwölf weitere Startplätze. Als neue Nummer 8 der Welt würde Alexis Bayard aktuell einen dieser Plätze besetzen. Klar ist aber, dass man als Team in Paris dabei sein will. «Im Moment denke ich absolut nicht an das Einzel, wir setzen alles auf das Team», sagt Malcotti, der aber am Sonntag wie Bayard dem Effort des Vortages etwas Tribut zollte.
Die Walliser Power soll der Schweiz weitere Fecht-Sternstunden bescheren. Dafür werden sich Lucas Malcotti, Alexis Bayard und auch Hadrien Favre im Training weiterhin bis zum Letzten pushen.