Andy Schmid ist der unbestrittene Star im Schweizer Handball. Das hat er nach seiner Rückkehr in die Schweiz zu spüren bekommen.
In seinen zwölf Jahren bei den Rhein-Neckar Löwen entwickelte sich Schmid zu einem der besten Handballspieler der Welt; er wurde nicht weniger als fünfmal zum wertvollsten Spieler der Bundesliga gekürt. Sein Engagement bei Kriens-Luzern brachte deshalb eine enorme Erwartungshaltung mit sich. Dessen war sich Schmid bewusst. «Ich kehrte mit gemischten Gefühlen zurück und hatte grossen Respekt», gibt der bald 40-Jährige im Gespräch mit der Nachrichtenagentur Keystone-SDA zu.
Es war dann allerdings noch krasser, als er sich das vorgestellt hatte. Er spürte nicht nur die Erwartungshaltung des Vereins, sondern auch jene der Gegner respektive der Handballfans. «Der Druck war extrem. Das habe ich ehrlich gesagt etwas unterschätzt.» Schmid war klar, dass die entstandene Euphorie rasch verflogen wäre, hätte er die Leistung nicht gebracht. «Ich wusste, dass ich dem Spiel nach wie vor den Stempel aufdrücken kann. Dafür musste ich aber physisch und psychisch extrem bereit sein. Das Niveau der Liga war noch besser als erwartet.»
83 Tore in den ersten acht Meisterschaftsspielen
Schmid benötigte keine Anlaufzeit. In den ersten acht Meisterschaftspartien erzielte er nie weniger als acht Tore, insgesamt waren es 83. In der gesamten Saison gelangen ihm in 33 Spielen 259 Treffer. Zudem harmonierte er hervorragend mit Kreisläufer Marin Sipic. Kriens-Luzern schloss die Qualifikation auf dem 1. Platz ab, feierte mit dem Cupsieg den ersten Titel der Vereinsgeschichte und scheiterte in den Playoffs erst im Final an den Kadetten Schaffhausen (1:3 Siege).
«Meine Vorstellungen wurden übertroffen. Es war eine fantastische Saison mit vollen Hallen», sagt Schmid. Mehr sei nicht möglich gewesen. Letztere Aussage unterstreicht seinen Charakter. Denn er hätte auch jammern können, da er am Donnerstag im vierten und letzten Finalspiel (28:32) aufgrund eines Teilrisses der Achillessehne wie drei andere Teamstützen verletzungshalber fehlte.
Stattdessen gibt sich Schmid als fairer Verlierer. «Die Kadetten sind aktuell noch auf einem anderen Level als wir. Sie verfügen über mehr Qualität. Das muss man ganz ehrlich so sagen. Während wir aufgrund der hohen Erwartungshaltung von Anfang an performen mussten, hatten sie mit der European League zunächst andere Prioritäten. Was sie dort geleistet haben (die Schaffhauser scheiterten hauchdünn im Viertelfinal am späteren Sieger Füchse Berlin), dazu wären wir nicht fähig gewesen. Das ist die Realität, und dafür gilt es den Kadetten grossen Respekt zu zollen.»
Glück im Unglück
Was seine Verletzung betrifft, hatte Schmid Glück im Unglück. Wäre die Achillessehne ganz gerissen, wäre seine Karriere zu Ende. Das wäre umso bitterer gewesen, als die kommende Saison ein besonderes Highlight mit sich bringt. Die Schweizer bestreiten am 10. Januar in der Fussball-Arena in Düsseldorf das EM-Eröffnungsspiel gegen Gastgeber Deutschland. Erwartet werden 50'000 Zuschauer. «Das sucht seinesgleichen. Es wird eine Einmal-im-Leben-Erfahrung», blickt Schmid mit grosser Vorfreude voraus.
Dass Schmid 2024 aufhört, ist bereits klar. Er löst dann Michael Suter als Schweizer Nationaltrainer ab. Die Verantwortlichen des Verbandes sind im vergangenen Sommer auf ihn zugekommen mit der Frage, ob er sich das vorstellen könne. «Ich habe mir das logischerweise gründlich überlegt und bin zum Schluss gekommen, dass mehr Gründe dafür sprechen», sagt Schmid. Er findet es «extrem spannend», dabei zu helfen, nicht nur das Nationalteam, sondern den Handballsport als Ganzes in der Schweiz weiterzuentwickeln.
Natürliche Distanz
Dass er dannzumal der Chef seiner aktuellen Teamkollegen sein wird, sieht er entspannt. «Das ist sicherlich ein Punkt, der nicht ganz einfach ist. Der Altersunterschied ist jedoch relativ gross, und ich bin in einer anderen Lebensphase als die Spieler. Schon jetzt herrscht zwischen uns eine natürliche Distanz. Ich habe es bei jedem Trainer geschätzt, wenn ich wusste, woran ich bin – im positiven wie im negativen Sinn. So werde ich das als Trainer handhaben.»
Schmid weiter: «Ich habe in den Gesprächen immer betont, dass ich ein Trainerneuling bin. Ich glaube, dass ich den Handball verstanden habe. Ich weiss aber, dass viel mehr zum Trainersein gehört. Ich werde Fehler machen, das ist klar. Wenn ich jedoch nie etwas riskiert hätte, hätte ich nicht eine solche Karriere hingelegt.» Dann stünde heute wohl auch der Schweizer Handball an einem anderen Punkt.