Rad Stefan Küng in Flandern in der Aussenseiterrolle

sda

4.4.2021 - 06:01

Stefan Küng will an der Flandern-Rundfahrt die Flucht nach vorne suchen.
Stefan Küng will an der Flandern-Rundfahrt die Flucht nach vorne suchen.
Bild: Keystone

Mit der Flandern-Rundfahrt steht am Ostersonntag das zweite der fünf Monumente der Radsport-Saison im Programm. Stefan Küng pflegt mit dem Klassiker eine spezielle Beziehung.

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Die Flandern-Rundfahrt ist Kult. Das populärste Eintagesrennen Belgiens ist bekannt für seine schmalen, holprigen Strassen, die engen Kurven und ruppigen Anstiege, die meisten davon mit Kopfsteinen gepflastert. Manche behaupten sogar, die «Ronde van Vlaanderen» sei noch anspruchsvoller als Paris – Roubaix, die Königin der Klassiker, die in diesem Jahr wegen der Corona-Pandemie in den Herbst verschoben wurde.

Die Bedingungen im Norden Belgiens sind oft garstig, ein Terrain also für harte Kerle. Einer, der solche Herausforderungen besonders mag, ist Stefan Küng. Dem 27-jährigen Thurgauer können die Rennen eigentlich nicht hart genug sein. Fragt man ihn jedoch nach seinem Verhältnis mit der Flandern-Rundfahrt, gibt er sich eher zurückhaltend. «Zugegeben, meine Beziehung mit der Flandern-Rundfahrt ist nicht so rosig.»

Am Sonntag steht Küng bereits zum sechsten am Start. Doch die Flandern-Rundfahrt brachte ihm bislang nur wenig Glück. Ein Spitzenresultat fehlt auf seiner Visitenkarte – das Ziel in Oudenaarde erreichte er als 60., 41., 55., 44. und zuletzt 102. Im vergangenen Jahr sah er sich durch eine Magendarm-Erkrankung geschwächt und war dadurch im kräftezehrenden Finale chancenlos.

Doch auch für dieses Jahr gilt: neuer Anlauf, neues Glück. Für die Strapazen in den flämischen Ardennen ist Küng jedenfalls gerüstet. Am vergangenen Sonntag gehörte der Schweizer Meister, der als Leader des Teams Groupama-FDJ antritt, im Halbklassiker Gent – Wevelgem zu den stärksten Fahrern. Für ganz nach vorne fehlte ihm im Sprint einer kleinen Spitzengruppe letztlich die Explosivität. Das Ziel passierte Küng zeitgleich mit dem einheimischen Sieger Wout van Aert als Sechster.

Küng: «Ich habe nichts zu verlieren.»
Küng: «Ich habe nichts zu verlieren.»
Bild: Keystone

Die Überfahrer

Van Aert gilt auch am Sonntag bei der 105. Ausgabe der Flandern-Rundfahrt als grosser Hoffnungsträger der belgischen Fans. Der Captain des Teams Jumbo-Visma lieferte sich im vergangenen Oktober bei der Herbstausgabe der «Ronde» 2020 ein episches Duell mit seinem niederländischen Dauerrivalen Mathieu van der Poel. Am Ende setzte sich von den beiden mehrfachen Quer-Weltmeistern Van der Poel im Zweimannsprint hauchdünn durch.

Julian Alaphilippe, der dritte «Überfahrer» im Bunde, nahm sich 35 km vor dem Ziel gleich selbst aus der Entscheidung. Der Strassen-Weltmeister aus Frankreich übersah ein langsamer werdendes Begleitmotorrad und verletzte sich bei der Kollision so schwer, dass er das Rennen aufgeben musste.

Van der Poel, Van Aert und Alaphilippe sind auch am Sonntag die grossen Favoriten. In den ersten Wochen der neuen Saison zeigten sie, dass sie nichts von ihrer Offensivkraft eingebüsst haben. Wenn einer aus dem Trio antritt, bleibt der Konkurrenz meist nur das Staunen. Was macht die drei denn so stark? Küng muss nicht lange überlegen. «Sie haben alle einen brutalen Punch, da kann sonst niemand mithalten.»

Flucht nach vorne

Um die drei Topfavoriten auf den 263,7 km von Antwerpen nach Oudenaarde in Bedrängnis zu bringen, gibt es für den Zeitfahr-Europameister deshalb nur ein Rezept: «Nicht lange zuwarten, sondern früh angreifen.» So wie Dylan van Baarle am vergangenen Mittwoch im Halbklassiker «Quer durch Flandern». Der Niederländer legte die letzten 51 km bis ins Ziel alleine zurück und siegte solo. Genau auf einen solchen Coup hofft auch Küng, der sich wohl fühlt in der Aussenseiterrolle. «Ich habe nichts zu verlieren.»

Der Thurgauer ist nur einer von sieben Schweizern auf der Startliste, aber jener mit den besten Aussichten auf einen Spitzenplatz. Die übrigen sieben haben primär Rollen als Helfer zu erfüllen: Silvan Dillier (Alpecin-Fenix) wird sich in den Dienst von Van der Poel stellen, Michael Schär (AG2R Citroën) wird für Greg Van Avermaet arbeiten müssen, Reto Hollenstein (Israel Start-Up Nation) für Sep Vanmarcke und Stefan Bissegger (EF Education) für den Italiener Alberto Bettiol, den Überraschungssieger von 2019. Dazu sind auch Tom Bohli (Cofidis) und Johan Jacobs (Movistar) gemeldet.

Wie im letzten Jahr muss die Flandern-Rundfahrt wegen der Corona-Pandemie erneut ohne Zuschauer auskommen. Die Strecke präsentiert sich praktisch unverändert. Die ersten 100 km verlaufen relativ flach, erst dann wird es richtig hart. Insgesamt 17 Hellingen, diese giftigen, teils mit Kopfsteinpflaster versehenen kurzen Rampen, müssen die Fahrer bewältigen. 27 km vor dem Ziel wartet der Kruisberg, der oftmals für vorentscheidende Attacken genutzt wird. Dann folgen Oude Kwaremont und Paterberg, ehe es auf den letzten 13 km flach ins Ziel geht.