100 Tage bis zum Start Tokio 2021 – Die Olympischen Spiele stehen unter dem Joch des Coronavirus

SDA

13.4.2021 - 09:49

In 100 Tagen, am 23. Juli, dürften die Olympischen Sommerspiele in Tokio eröffnet werden. Die Lage mit dem Coronavirus bleibt bedrohlich.

Keystone-SDA, SDA

Noch sind viele Fragen offen. Aber eines ist klar: Tokio 2021 – das werden Notspiele unter strengen Auflagen. 100 Tage bleiben den Organisatoren ab Mittwoch noch, ehe im Olympiastadion die Flamme für die Spiele im Zeichen der Pandemie entzündet werden soll. «Wir tun unser Äusserstes für die Massnahmen gegen das Coronavirus», beteuerte Japans Ministerpräsident Yoshihide Suga gerade erst wieder. Und die Organisationschefin Seiko Hashimoto sagte jüngst in einem Beitrag beim US-Sender NBC: «Unsere erste und wichtigste Priorität ist es, eine sichere Umgebung mit Blick auf Covid-19 zu schaffen.»

Den ausländischen Olympia-Fans wird deshalb die Einreise verwehrt, mehr als 600'000 Tickets waren offiziell schon an diese Gruppe abgesetzt worden. Auch die Zahl von Helfern, Funktionären und Gästen von Sponsoren und Verbänden aus dem Ausland soll drastisch reduziert werden. Für alle zugelassenen Beteiligten werden bis Juni eine Reihe von Handbüchern erstellt, die bis ins Detail die Verhaltensregeln für Einreise und Aufenthalt festlegen. Ziel ist es, eine Olympia-Blase zu schaffen und Kontakte zu Tokios Bevölkerung zu minimieren.

Situation verschärft sich wieder

Erst Mitte März war ein zweimonatiger Notstand für den Grossraum Tokio aufgehoben worden. Seither steigt die Zahl der Neuinfektionen erneut spürbar an. Daher wurden die Massnahmen für die Hauptstadt wieder verschärft. In der Präfektur Osaka erklärten die Behörden zuletzt sogar den medizinischen Notstand, weil die Spitäler überfordert waren. Die Impfkampagne verläuft schleppend, nur wenige der 126 Millionen Japaner sind bisher vollständig geimpft.

Der olympische Fackellauf gibt einen Vorgeschmack, wie es ablaufen könnte. Rund 10'000 Läufer sollen die Fackel wie in einer Staffel durch alle 47 Präfekturen tragen, ehe am 23. Juli im Olympiastadion das Feuer entzündet wird. Wegen der Sorge um eine Ausbreitung des Coronavirus sollen die Japaner das Geschehen möglichst nur im Internet verfolgen. An der Strecke darf nur geklatscht, nicht aber gejubelt werden.

Bei grösseren Menschenansammlungen droht ein Abbruch der Etappe. Mehrere Prominente sagten ihre Teilnahme ab. Wegen der Notmassnahmen in Osaka wurde der Abschnitt durch die Region gestrichen, statt durch Osakas Zentrum sollte der Lauf isoliert durch den Expo '70 Commemorative Park in Suita führen.

Zum Check der Abläufe und für die Überprüfung der Corona-Massnahmen haben die Organisatoren für April und Mai noch 18 Testwettkämpfe für Olympia und Paralympics angesetzt. Ob alle stattfinden werden, wird sich weisen. Irritationen gab es zuletzt um die in Tokio geplanten Olympia-Qualifikationen im Wasserspringen, Synchron- und Freiwasserschwimmen. Nach kurzfristiger Absage sollen die Wettkämpfe nun doch etwas verspätet stattfinden. Die ohnehin knifflige Vorbereitung vieler Athleten wird durch solche Unwägbarkeiten zusätzlich erschwert.

Die Aktiven wollen die Spiele

Die Mehrzahl der Athleten hofft allerdings weiter, dass die Spiele stattfinden. Schliesslich haben sie seit Jahren auf Olympia hintrainiert, teils ihre Lebens- und Karriereplanung auf Tokio abgestimmt. Die Nationalen Olympischen Komitees haben fast ausnahmslos ihre Teilnahme für Tokio zugesagt, nur Nordkorea hat bisher verzichtet.

Das weltweit sehr unterschiedliche Impftempo gibt Anlass für viele Debatten. So wollen Länder wie Russland, Ungarn, Israel oder Mexiko Sportler bevorzugt impfen, andere Staaten haben das ausgeschlossen. Eine späte Impfung könnte den Formaufbau von Athleten stören. Ohne Impfung reist das Corona-Risiko mit nach Japan – auch bei Betreuern, Helfern und Journalisten.

Die vom Internationalen Olympischen Komitee mithilfe von China angebotene Impfung mit einem chinesischen Vakzin ist umstritten und ohnehin in vielen Ländern wegen der fehlenden Zulassung nicht möglich. Weite Teile der japanischen Bevölkerung werden im Juli und August noch ungeschützt sein. Mediziner warnen davor, dass die Spiele im schlimmsten Fall zum Superspreader-Ereignis werden und neue Virusvarianten hervorbringen könnten.

Erneute Verschiebung scheint ausgeschlossen

Eine erneute Verschiebung der Spiele in Tokio ist allerdings kaum eine Option. Allein die Verlegung um ein Jahr soll die Organisatoren wegen zusätzlicher Ausgaben für Mieten, Personal, Ausrüstung und Lagerflächen knapp zwei Milliarden Franken kosten. Diese Mehrkosten wird Japan kaum noch ein weiteres Mal aufbringen wollen, obwohl die Bevölkerung sich in Umfragen eher gegen eine Durchführung 2021 ausspricht. Auch für die Corona-Massnahmen sind bereits viele Millionen in die Vorbereitung der Sommerspiele geflossen, die dann wohl verloren wären.

Zudem haben Japans Organisatoren immer wieder beteuert, mit den Spielen ein Zeichen für den Sieg gegen Corona setzen zu wollen. Dieses Symbol nun ausgerechnet dem politischen Erzrivalen China bei den Winterspielen in Peking im Februar 2022 zu überlassen, wäre für die Japaner ein zusätzlicher Schmerz.