Hohe Erwartungen Tour-Direktor Olivier Senn erklärt, wann man «komisch angeschaut wird»

voe, sda

19.6.2024 - 04:02

Tour-de-Suisse-Direktor Olivier Senn (rechts) überreicht Demi Vollering die Trophäe für den Gesamtsieg.
Tour-de-Suisse-Direktor Olivier Senn (rechts) überreicht Demi Vollering die Trophäe für den Gesamtsieg.
Bild: Keystone

Olivier Senn, Direktor der Tour de Suisse, äussert sich über fehlende Sponsoren im Frauen-Bereich, finanzielle Verluste, Datumswechsel und Garantien, die er für die Austragung 2025 nicht geben kann.

Keystone-SDA, voe, sda

Olivier Senn, die Frauen-Tour bot auch in diesem Jahr wieder während vier Tagen packenden Rennsport – und über eine Fortsetzung sollte nicht diskutiert werden müssen. Finanziell steht die Rundfahrt allerdings auf wackligen Beinen, nicht wahr?

Der Frauen-Sport generell und auch der Frauen-Radsport im Speziellen haben zu Recht einen hohen Stellenwert. Zugleich sind aber auch hohe Erwartungen vorhanden. Wenn man heutzutage als Veranstalter für die Frauen nicht das Gleiche anbietet wie für die Männer, wird man komisch angeschaut. Alle stellen Forderungen. Aber dafür zahlen, das will dann leider keiner.

Überrascht Sie das?

Nein. Dieses Problem haben wir schon 2021 gesehen, als wir die Tour neu lancierten. Eine Lösung haben wir aber nicht gefunden. Sonst hätten wir diese bereits umgesetzt.

Bislang subventionieren Sie die Frauen-Rennen mit den Männer-Rennen.

Alle Veranstalter, die ich kenne, machen das. Das kann aber nicht ewig so sein. Für eine nachhaltige Entwicklung bei den Frauen braucht es mehr.

Können Sie konkret auf Zahlen eingehen?

Das Budget für die Tour de Suisse Women beträgt in diesem Jahr gut 800'000 Franken. Der Verlust beläuft sich auf 100'000 bis 200'000 Franken.

Wer trägt das?

Das haben wir als Veranstalter zu tragen, letztlich die Aktionäre von Cycling Unlimited und vom Verein Tour de Suisse. Wir haben gewusst, dass es schwierig wird. Unsere langfristigen Pläne haben das vorausgesagt. Es wäre aber schön, wenn sich doch langsam die positiven Aspekte – wie der gute Sport und die Attraktivität, welche die Frauen-Tour auf die Zuschauer am Strassenrand und am Fernseher ausübt –, auch auf das Sponsoring auswirken würden.

Haben Sie Erklärungen, dass das bei der vierten Austragung noch immer nicht der Fall ist?

Es ist nicht so, dass wir nicht versucht hätten, Sponsoren zu finden, die explizit den Frauen-Radsport unterstützen. Es sind vielmehr unsere bestehenden Sponsoren der Männer-Tour, die das Engagement natürlich auch bei den Frauen mittragen. Aber ein grosser Sponsor, der sich sagt, dass der Frauen-Radsport wichtig ist und er in diesem Umfeld präsent sein will, der wäre ein Game-Changer. Dann wären wir an einem guten Ort. Diesen Sponsor haben wir, obwohl er von einem guten Kosten-Nutzen-Verhältnis profitieren würde, leider noch nicht gefunden. Die Lage ist schwierig, und manchmal ist es auch schwer nachzuvollziehen, warum dem so ist.

Sind nur Sponsoren gesucht, oder sollten sich auch Swiss Cycling und der Bund wieder stärker beteiligen?

Es gab vom Bund in den ersten drei Jahren eine Anschubfinanzierung. Zudem hat uns Swiss Cycling in den letzten zwei Jahren sehr stark unterstützt. Auch in diesem Jahr gab es in Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Sport eine Unterstützung. Aber dies sind immer Entscheide, die von Jahr zu Jahr und aufgrund der Situation getroffen werden. Was der richtige Weg ist und ob man den Frauen-Sport vom Staat unterstützen muss, ist letztlich ein politisches Thema, und das müssen andere diskutieren.

Um neben dem Sport zu etwas Positivem zurückzukehren: Wie wichtig ist es, dass die Frauen-Tour (12. bis 15. Juni 2025) künftig vor derjenigen der Männer stattfinden kann?

Dass die Frauen an den Anfang rücken, ist sehr positiv und von uns schon länger gewünscht. Es war unser Wunschszenario. So erhalten sie von der Öffentlichkeit und von uns als Organisatoren mehr Aufmerksamkeit. Die Rennen der Männer und der Frauen überschneiden sich künftig nur noch an einem Tag. So haben wir mehr Flexibilität. Man könnte die Rundfahrt sogar noch um einen oder um zwei Tage verlängern. Das geht im jetzigen Setting nicht, weil nach der Rundfahrt jeweils ab Mittwoch die nationalen Meisterschaften stattfinden.

Bekannt ist bislang, dass die nächstjährige Frauen-Rundfahrt in Küssnacht am Rigi zu Ende geht. Wie weit sind Sie mit der weiteren Planung?

Weil wir wussten, dass ein Datumswechsel möglich ist, konnten wir mit den diversen potenziellen Etappenorten noch nichts Konkretes für 2025 vereinbaren. Aber wir sind fortlaufend in Gesprächen. Ich bin zuversichtlich, dass wir die Etappenorte in Bälde fixieren können.

Können Sie garantieren, dass die Tour de Suisse Women 2025 stattfindet?

Nein. Eine Garantie kann ich nicht geben. Aber das kann ich auch für die Männer-Tour nicht. Obwohl die Rundfahrt der Frauen nicht auf Rosen gebettet ist, hoffe ich, dass wir sie noch lange organisieren können. Stand jetzt gehe ich davon aus, dass das Rennen stattfindet. Es gibt keine konkreten Hinweise, dass dem nicht so sein wird. Wir müssen uns anstrengen und sicherstellen, dass wir die Sponsoren und Etappenorte beieinanderhaben. Dann wird die nächste Frauen-Tour eine coole Geschichte.