Die Stabhochspringerin Angelica Moser blickt auf eine schwierige Saison zurück. Gelingt ihr am Mittwochabend auf dem Sechseläutenplatz im Rahmen von Weltklasse Zürich ein versöhnlicher Abschluss?
Olympische Jugendspiele (2014), U20-EM (2015), U20-WM (2016), U23-EM (2017 und 2019) – Moser hat an all diesen Anlässen die Goldmedaille gewonnen. Mit dem Titelgewinn an der Hallen-EM im März 2021 in Torun schlägt sie auch bei der Elite erstmals zu. Seither ist jedoch einiges schiefgelaufen. Bei den Olympischen Spielen in Tokio verpasst die 24-jährige Zürcherin den Final, kurz darauf, am 10. August, bricht im Training während eines Sprungs ihr Stab. Sie zieht sich einen Bluterguss am Rücken, mehrere Muskelfaserrisse sowie einen kleinen Pneumothorax zu, leidet unter starken Schmerzen.
Alles in allem hat Moser aber Glück im Unglück. Weniger als drei Monate später springt sie erstmals wieder – es sind erste Annäherungsversuche. Während der Indoor-Saison zeigt sie sich aber bereits wieder in guter Form; sie überquert 4,66 m. An der Hallen-WM in Belgrad belegt sie Platz 4. Ende April erleidet Moser einen Muskelfaserriss, nachdem sie sich genau ein Jahr zuvor ebenfalls am Oberschenkel verletzt hat. «Es ist zweimal dumm gelaufen», sagt Moser im Gespräch mit der Nachrichtenagentur Keystone-SDA. Was den Trainingsplan betreffe, gebe es keinen Zusammenhang. Sie investiere viel in die Prävention, mehr könne sie nicht machen. «Wir trainieren am Limit.»
In der Folge kommt Moser nicht wie gewünscht auf Touren. Zwar können sich der 8. Rang an der WM und der 4. Platz an der EM sehen lassen, höher als 4,60 m springt sie im Freien in diesem Jahr allerdings nie. Von daher spricht sie von einer «tendenziell eher komplizierten Saison», um gleich zu relativieren: «Wenn ich ein Jahr zurückschaue, ist es ganz okay, auf welchem Niveau ich nun bin.»
Angst verspürt Moser keine, als sie nach dem gravierenden Unfall wieder springt, was erstaunlich ist und für ihre mentale Stärke spricht. Aber eben: «Wenn dir die Wettkämpfe eher Vertrauen nehmen statt zu geben, dann hilft das natürlich nicht», sagt Moser. Sie ist überzeugt, wieder zur alten Stärke zurückzufinden, wenn sie von weiteren Rückschlägen verschont bleibt. Die Hallen-EM im vergangenen Jahr hat ihr gezeigt, was mit einer optimalen Vorbereitung möglich ist. Dort überquerte sie bei ihrem Triumph 4,75 m.
Moser trainiert in Magglingen bei der Schweizer Rekordhalterin Nicole Büchler (4,78). Zuvor half ihr, nachdem Herbert Czingon Ende 2020 in Pension gegangen war, kurz Damien Inocencio, der Renaud Lavillenie 2012 zum Olympiasieg geführt hatte. Inocencio ging jedoch nach den Olympischen Spielen aus familiären Gründen zurück nach Frankreich. Zwar überlegte Moser, ihm zu folgen, entschied sich aber dagegen. «Die Art der dortigen Zusammenarbeit hätte kaum funktioniert.»
Seit vergangenem Winter kann Moser zusätzlich auf die Hilfe von Adrian Rothenbühler zählen. Der Schweizer Trainer des Jahres 2019 ist im Sprintbereich eine Kapazität, was die Leistungen von Mujinga und Ditaji Kambundji unterstreichen. Moser hofft, dass die Arbeit mit ihm – es war wegen der Oberschenkelverletzung weniger als geplant möglich – «noch mehr Früchte trägt».
Sie ist sich aber natürlich bewusst, dass mit einem schnelleren Anlauf die Technik etwas angepasst werden muss, «was Zeit braucht», so Moser, die am Dienstagmorgen ihre letzte Bachelor-Prüfung im Rahmen ihres Wirtschaftsstudiums absolviert hat und nun diesbezüglich eine Pause einlegt. So oder so gilt ihr Fokus nun voll und ganz dem Einsatz am Mittwochabend auf dem Sechseläutenplatz.