In ihrem ersten Live-TV-Interview seit dem verhängnisvollen Zwischenfall spricht Bahnrad-Olympiasiegerin Kristina Vogel bei Günther Jauch über ihren schweren Unfall. «Ich habe das Weinen erst lernen müssen», sagt sie – und gibt noch viel mehr preis.
Es passierte am 26. Juni im Training auf der Radrennbahn in Cottbus: Mit 60 km/h kollidierte Kristina Vogel mit einem anderen Fahrer und verletzte sich schwer. Das Rückenmark der Erfurterin wurde am siebten Brustwirbel durchtrennt. Seither sitzt Vogel im Rollstuhl und arbeitet im Unfallkrankenhaus Berlin intensiv in der Reha.
Am vergangenen Samstag kehrte die 28-Jährige beim Bahnrad-Weltcup in Berlin als Zuschauerin zurück auf das Holzoval und wurde von rund 2'000 Zuschauern mit Standing Ovations auf jener Bahn empfangen, auf der sie rund 13 Monate zuvor an der Heim-Europameisterschaft zweimal Gold und einmal Silber gewonnen hatte. Sie wurde vom deutschen Bundesaussenminister Heiko Maas als «Radsportlerin des Jahres» ausgezeichnet.
«Es ist schön, alle wiederzusehen. Ich habe gar nicht so viel Zeit für alle. Ein Drücker, ein Knutscher – dann kommt schon der nächste», sagte Vogel.
Tagsdarauf ist Kristina Vogel zu Gast bei Günther Jauch und spricht in der Sendung «Menschen, Bilder, Emotionen» selbst über ihren schlimmen Unfall. Dabei überrascht sie mit ihrer positiven Einstellung. «Ich habe zum ersten Mal seit Jahren die Chance, durchzuatmen, konnte mich darauf besinnen, was im Leben wichtig ist. Nicht das Im-Kreis-Rumfahren, sondern die Familie, die einem den Rücken stärkt.» Der Unfall habe viel Druck von ihr genommen. «Ich habe mir jahrelang viel Druck gemacht. Ich fühle mich jetzt wieder frei und habe Zeit, mich neu auszurichten und das zu tun, was mir am meisten Spass macht.»
Rückschläge in der Reha
Obwohl sich Vogel vom Druck befreit fühlt und dem Unfall gewissermassen positive Aspekte abgewinnt, gibt es auch für die Deutsche immer wieder Rückschläge. Es sind Momente, in denen sie von ihren Emotionen übermannt wird. «Ich habe das Weinen erst lernen müssen. Ich habe nie viele Emotionen gezeigt, weil ich immer die Kämpferin sein musste. Aber wenn man die Emotionen zulässt, kann man es schneller verarbeiten. Ich will anderen einfach Mut machen.» Ein Ziel, das sie mit grosser Wahrscheinlichkeit schon erreicht hat.
An eine mögliche Rückkehr zum Leistungssport denkt Vogel ein knappes halbes Jahr nach dem Unglück noch nicht. Im Gegenteil: «Im Moment bin ich froh, keine Wettkämpfe bestreiten zu müssen. Um bei den Paralympics wettbewerbsfähig zu sein, würde es Jahre dauern. Denn ich will nicht Zweite werden, ich will gewinnen», sagt sie der französischen Sportzeitung «L'Equipe».
Für die nahe Zukunft hat Vogel jedoch andere Wünsche: «Ich will leben, das ist alles. Leben wie jeder andere Mensch in meinen Alter.»