Luca Graf gehört zu den besten Unihockey-Verteidigern der Schweiz. An der Heim-WM bestreitet der 31-Jährige seine fünfte Endrunde. Seine sportliche Laufbahn ist aber auch von Unstetigkeit geprägt.
Gürbetal, Köniz, Växjö, Köniz, GC, Zug, Sirius, Köniz – das sind die Stationen, an denen Luca Graf haltmachte, seit er mit 16 Jahren spät, aber in hohem Tempo in den Unihockeysport eingestiegen und dem Junioren-Alter entwachsen ist. Im Profifussball wären sieben Klubwechsel keine besondere Erwähnung wert. Im Unihockey, wo sich nach wie vor nur ganz wenige ein Profitum leisten können und sich die Klubs im Buhlen um die besten Spieler nicht in aller Regelmässigkeit gegenseitig überbieten, ist das doch recht ungewöhnlich.
Auch sonst sticht in Grafs Vita eine gewisse Unbeständigkeit heraus: Ist der Verteidiger auf seinem höchsten Level, spielt er im Ballbesitz als Quasi-Spielmacher ungemein dominant und ist er für seine Teams vor allem aufgrund seiner brandgefährlichen Vorstösse in die Offensive ein absoluter Leistungsträger. Ruft er sein Potenzial aber nicht ab, rutscht er ins Mittelmass ab. Derlei Schwankungen sind auch innerhalb von einzelnen Spielen zu beobachten, weshalb ihm auch schon eine gewisse Labilität nachgesagt wurde. «Ich muss mich wohlfühlen. Die ganze Konstellation mit Unihockey und Job muss stimmen», räumt Graf ein.
Gute Spiele, schlechte Spiele
Aus den guten Spielen erklärt sich von selbst, warum ihm der Schweizer Nationaltrainer David Jansson einst die Captainbinde übertrug und warum ihn die Nationalmannschaftskollegen als immensen Mehrwert für die Mannschaft erachten. Kommt hinzu, dass Graf jeweils dann am besten spielt, wenn es gegen die stärksten Gegner geht – eine Eigenschaft, die Jansson hoch gewichtet. In den Schwankungen verbirgt sich indes auch ein Teil der Antwort, warum an der Heim-WM Nicola Bischofberger und nicht mehr Graf als Captain wirkt.
Dass ihm Jansson die Captainbinde entzog, sei nicht spurlos an ihm vorbeigegangen, gesteht Graf. «Aber ich verstehe den Entscheid und trage ihn mit.» Die Gründe für seine Schwankungen und Klubwechsel liegen nicht etwa darin, dass der meinungsstarke Verteidiger ein schwieriger Charakter wäre. Der im Marketing-, Sponsoring- und Eventbereich tätige Berner wurde nirgends vom Hof gejagt, und bei Köniz stand die Tür auch ein drittes Mal offen. Er sei ein Mannschaftssportler sowohl im Sport als auch in der Geschäftswelt, betont Graf und bestätigen Weggefährten.
Ein heikler Spagat
Die Leistungsdellen lassen sich vor allem mit körperlichen Problemen und dem ungesunden Spannungsfeld zwischen Sport und Beruf erklären. Während einiger Zeit kostete das berufliche Vollpensum in leitender Funktion bei einem Start-up-Unternehmen viel Energie. Ausserdem schränkte ihn über eine längere Phase eine Überbelastung im Knie ein und bremste ihn ein Innenbandriss im Knie aus. Hinzu kam ein rätselhaftes Problem im Hals, weshalb er unter sportlicher Belastung oft Erbrechen musste.
Derlei Probleme sind klassische Ausläufer des heiklen Spagats, den die ambitionierten Unihockeyspieler auch heute noch auf sich nehmen müssen. Wobei die am 5. November beginnende Heim-Weltmeisterschaft in Zürich und Winterthur diesbezüglich deutliche Entspannung brachte: Dank Unterstützung der Schweizer Armee konnte Graf das berufliche Pensum auf 40 Prozent reduzieren und als Sportsoldat 100 Tage pro Jahr im Rahmen von WKs trainieren – eine Entlastung, von der das Gros des Nationalteams profitiert und dank der Graf rechtzeitig auf das Karriere-Highlight wieder zu alter Stärke fand.
«Das mache ich für die Heim-WM», sagt Graf, der auch beruflich Karriere machen will. Ob es seine letzte Weltmeisterschaft ist, lässt er offen. Dass sich die Prioritäten danach aber wieder verschieben werden, steht fest.