Wout van Aert ist im Fahrerfeld der 109. Tour de France der Mann der Stunde. Dass er ein Alleskönner ist, das hat der Belgier in den vergangenen Jahren schon öfters bewiesen.
Zuerst als Quer-Weltmeister – dies gar dreimal in Folge (2016 bis 2018) -, danach auch auf der Strasse, wo er seit 2019 auf höchster Stufe Siege en masse aneinanderreiht. Nach seiner Demonstration auf den letzten gut 10 km nach Calais steht der 27-Jährige bei der Frankreich-Rundfahrt schon bei sieben Triumphen.
Fast jeder davon hat seine eigene, beeindruckende Geschichte. Im vergangenen Sommer schnappte sich Van Aert gleich drei Tagessiege. Zunächst am Berg, als er in Malaucène (11. Etappe) nach zweimaliger Überquerung des Mont Ventoux als Solo-Sieger einfuhr. Dann im Zeitfahren, als er am vorletzten Tour-Tag über 30,8 km von Libourne nach Saint-Emilion mit gebührendem Abstand der Schnellste war. Schliesslich auch im Sprint, als er beim traditionellen Finale auf den Pariser Champs-Elysées den Sprint-Stars, angeführt vom zuvor dominierenden Briten Mark Cavendish, das Nachsehen liess.
«Alleine ankommen ist besser»
Umso mehr musste sich Van Aert an seinen Ehrenrängen beim Grand Départ in Dänemark gestört haben. Dem 2. Platz im Auftaktzeitfahren in Kopenhagen hinter seinem überraschenden Landsmann Yves Lampaert folgten zwei weitere 2. Ränge im Sprint, wobei er sich am Sonntag in Sönderborg dem Niederländer Dylan Groenewegen nur um Millimeter geschlagen geben musste.
Verständlich, dass der Tour-Leader es in der 4. Etappe nicht noch einmal auf einen Massensprint ankommen lassen wollte. Van Aert, ideal lanciert von seinen Teamkollegen von Jumbo-Visma, griff beim letzten kleineren Anstieg des Tages an – und kam noch vor der Kuppe weg. Kein Fahrer – weder einer der Favoriten auf den Gesamtsieg, geschweige denn ein Sprinter – vermochte ihm zu folgen.
Die Ziellinie in Calais überfuhr der Belgier letztlich mit acht Sekunden Vorsprung vor seinem Landsmann Jasper Philipsen. «Ich wollte keine Risiken im Sprint eingehen, alleine anzukommen ist doch besser», sagte Van Aert danach lachend im Sieger-Interview.
Nun Mini-Ausgabe von Paris-Roubaix
Ganz viel Action wird am Mittwoch erwartet, wenn es bei der «Grande Boucle» zu einer Mini-Ausgabe von Paris-Roubaix kommt. Die 5. Etappe führt über 157 km von Lille nach Arenberg. Dabei sind elf Pavés-Sektoren von total 19,4 km Länge zu absolvieren.
Der grosse Favorit auf den Tagessieg? Natürlich Wout van Aert, der diesen Frühling beim Eintagesklassiker Rang 2 – unmittelbar vor Stefan Küng – belegte. Doch die Frage ist eben auch, ob die Teamführung dem Alleskönner die nötigen Freiheiten lässt, oder ob dieser auf den Kopfsteinpflaster-Passagen nicht vielmehr Primoz Roglic und Jonas Vingegaard, den zwei Anwärtern von Jumbo auf den Gesamtsieg, helfen muss.