Snowboard Jan Scherrer nimmt es in Laax mit den asiatischen Luftakrobaten auf

jos, sda

19.1.2024 - 06:00

Für Jan Scherrer begann der Winter mit Komplikationen. Nun stehen mit dem Laax Open und den X-Games die Saison-Highlights an, und die Leichtigkeit des Toggenburgers steht auf dem Prüfstein.

Keystone-SDA, jos, sda

Am Ursprung stand eine banale Erkältung, die Folge war ein langes Geduldsspiel: Zwei Wettkämpfe haben die Halfpipe-Snowboarder bislang absolviert. Nur zwei. Und doch waren es für den 29-jährigen Olympiadritten Jan Scherrer unerwartet strapaziöse Wochen.

Vielleicht wollte Scherrer genau wegen der wenigen Wettkampf-Gelegenheiten unbedingt dabei sein beim Auftakt in China und bei der zweiten Station in Copper Mountain in den USA. Rückblickend weiss der St. Galler, dass es eine schlechte Idee war. Eine vermeintlich alltägliche Erkältung im November entwickelte sich zu einer hartnäckigen Angelegenheit und sorgte schliesslich dafür, dass der Saison-Einstand gründlich missriet. «In China anzutreten war ein dummer Entscheid. Ich war nicht fit, habe zu wenig auf mich geschaut. Ich war schlicht nicht ready. In den USA wurde ich nachher noch mehr krank», sagt Scherrer.

Zu Buche stehen nun ein 18. Platz in der Olympia-Pipe von 2022, in der er vor zwei Jahren mit dem Gewinn der Bronzemedaille seinen Karriere-Zenit erreichte, und ein Forfait in Copper Mountain – ungewöhnlich wenig für einen, der seit sechs Jahren zur absoluten Elite gehört, kaum einmal fehlt und neben dem Weltcup auch an Weltmeisterschaften und Olympischen Spielen zuverlässig reüssiert.

Gefühlter Saisonstart

Immerhin blieb Scherrer von noch Schlimmerem verschont, wie eine Blutuntersuchung bestätigte: «Ich hatte einfach Pech. Es kamen drei, vier kleine Sachen nacheinander zusammen, das Immunsystem konnte nicht mehr schnell reagieren.» Zwar fehlen ihm jetzt einige Trainings und das gute Gefühl, das er sich normalerweise in den Dezember-Wettkämpfen holte. Aber rechtzeitig auf die Highlights ist Scherrer wieder fit und bereit: «Die Saison kann jetzt endlich losgehen. Laax fühlt sich für mich an wie der erste Wettkampf des Winters, und ich bin sehr zuversichtlich, dass es gut kommt.»

Trotz der ungünstigen Vorzeichen traut sich Scherrer den Sprung in die Top 3 auch in diesem Jahr zu. 2022 war er in Laax Zweiter, geschlagen einzig vom japanischen Flugkünstler Ayumu Hirano, in den Jahren davor dreimal Vierter. An den X-Games, dem jährlichen Kräftemessen der Crème de la Crème des Freestyle-Sports in Aspen, hat er einen 2. und einen 3. Platz im Palmarès stehen.

Mit 29 Jahren gehört Scherrer zu den Älteren seines Fachs, seit eineinhalb Jahren ist er Vater einer Tochter. Ein baldiges Karriere-Ende sieht der Schweizer Teamleader gleichwohl nicht nahen. Die Heim-WM 2025 im Engadin und die nächsten Olympischen Spiele 2026 in Mailand sind als nächste Fixpunkte fest eingeplant, das Studium in Business Administration ist nach dem erfolgreichen Bachelor-Abschluss im Vorjahr fürs Erste erledigt.

Smarter Stilist

Obwohl die jüngere Konkurrenz, insbesondere jene aus Japan, mit immer mehr Rotationen aufwartet, traut sich Scherrer zu, noch mehrere Jahre ganz vorne mitzuhalten. Warum auch nicht? Mit seinen selbst kreierten Tricks wie dem «Jan Tonic», die ihm nach wie vor keiner nachmacht, bringt der smarte Stilist aus Wildhaus Alleinstellungsmerkmale mit, die ihm nicht nur viel Zuspruch aus dem Publikum und Respekt der Konkurrenz einbringen, sondern auch von der Jury mit guten Bewertungen honoriert werden.

«Sähe ich in der Halfpipe keine Chance mehr, wäre ich längst am Filme drehen», sagt Scherrer. «Ja, die Japaner pushen das Limit laufend. Aber bei ihnen geht es, warum auch immer, stets in diese eine Standardrichtung, 'spin to win' gewissermassen. Für mich ist das positiv, denn dadurch gibt es immer noch ein, zwei Tricks, die nur ich und kein anderer kann.»

Mit seiner Kreativität und vorzüglichem Style trotzt Scherrer dem Rotationswahn seit mehreren Jahren erfolgreich. Er springt so beständig wie kaum ein anderer, muss vergleichsweise wenig riskieren und war deshalb nicht zufällig noch nie in seiner Karriere schwer verletzt. Auch deshalb würde es mehr überraschen, sollte Scherrer am Freitag den Einzug in den Final der besten 12 vom Samstagabend verpassen, als dass er ihn trotz suboptimalem Saisonverlauf auch bei seiner achten Teilnahme schaffen würde.